Schaulauf im Dreivierteltakt
Die Staatsoper ruft, und Prominenz aller Art strömt herbei: Der Wiener Opernball zieht einmal mehr mit Traditionen und Walzerseligkeit in seinen Bann.
Das Naserümpfen über den alljährlichen Schaulauf mag periodisch auftreten (und dann wieder für fast zwölf Monate verstummen), doch er gehört zum Land wie das Schnitzel, die Donau, die Lipizzaner und allerlei charakterliche Eigenheiten: Wenn heute Abend die in 30 Stunden zum Festsaal transformierte Staatsoper ihre Pforten öffnet, werden die Staatsspitze, Berühmtheiten (und solche, die es gerne wären), Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft, Sport und Wissenschaft sowie Artverwandte zum 62. Wiener Opernball strömen. Es ist ein Bad in der Menge und in Traditionen – und in einen Takt passen am besten drei Viertel, links oder rechts gedreht.
werden erwartet. Für 290 Euro erhielten jene, die Glück hatten, ihre Eintrittskarte zur Walzerseligkeit – die passenden Logen kosteten bis zu 20.500 Euro. Für Hungrige stehen unter anderem 2500 Paar Würstel und 1300 Portionen Gulaschsuppe bereit. Eine Ballnacht macht auffällig durstig – 1300 Flaschen Sekt und Champagner, je 900 Flaschen Wein und Bier sollten die gewünschte Abhilfe schaffen.
171 Blumenarrangements und 480 Blumengestecke bringen viel Farbe ins Spiel.
144 Debütantenpaare aus 13 Ländern, so gut trainiert wie aufgeregt, zeigen ihre Tanzkünste. Genau genommen muss man heuer mindestens ein weiteres „Debütantenpaar“dazuzählen: Bundeskanzler Sebastian Kurz wird sich mit seiner Freundin Susanne Thier erstmals die Ehre geben. Die 1,5 Millionen Zuschauer, die vor dem Fernseher das Treiben verfolgen, haben so Gelegenheit, die doch noch nicht so geläufigen Namen der neuen Bundesregierung zu memorieren: Etliche Minister und Staatssekretäre stehen auf der Besucherliste. Dass sich die größten Fans des Spektakels auch zu Hause festlich geben und würdevoll Ballroben anlegen, ist indes unbestätigte Fama.
Ohne die erstklassige akustische Untermalung wäre der Wiener Opernball niemals komplett. 150 Musiker werden von der Eröffnungs-Choreografie „Stürmisch in Lieb und Tanz“über die beliebten Quadril- len bis hin zu Auszügen aus Opern den musikalischen Teppich ausbreiten. Dazu brilliert das Staatsballett. Wenn dieser Opernball ein Anachronismus ist, dann jedenfalls ein sehr edler.
Einer, der quasi zum Opernball-Stamminventar wurde, ist Richard Lugner. 2018 hat er Melanie Griffith an seiner Seite. Traditionell rückt der Baumeister im Vorfeld die Marotten seiner Gäste in den Fokus. Nachdem er zunächst darüber geklagt hatte, dass die Mimin „an allem rumnörgelt“, fand Lugner gestern lobende Worte: „Sie ist sehr nett – da gibt es gar nichts!“
haben Demos im Umfeld des Opernballs noch in Erinnerung. Heuer meldeten die Kommunistische Jugend und der Kommunistische Studentenverband friedlichen Protest unter dem Motto „Eat the Rich!“an. Ein Aufruf zum Kannibalismus sei dies nicht – Platzverbot wurde trotzdem angeordnet. Für die Staatsoper ist der Ball nicht zuletzt ein monetärer Fixpunkt: Einnahmen in der Höhe von 4,6 Millionen Euro stehen Ausgaben von etwa 3,5 Millionen Euro gegenüber. Alles Walzer, alles im Grünen.
Seinen 22. Einsatz für den ORF auf dem Opernball hat Alfons Haider heute Abend: Seit 1995 moderiert er nämlich mit einer kurzen Unterbrechung das quotenträchtige Ball-Ereignis des Jahres: 2017 zog die Eröffnung in ORF 2 rund 1,5 Millionen Zuschauer an (Marktanteil: 50 Prozent). Sie wirken noch sehr gelassen, obwohl es wohl der Moderationsjob des Jahres ist?
ALFONS HAIDER: Ja, aber wir sind ein perfekt funktionierendes Team und können uns blind aufeinander verlassen. Obwohl ein Ereignis wie der Opernball nie zur Routine werden kann, er ist jedes Jahr an-
ders – heuer etwa mit einem strengen Protokoll für den ukrainischen Staatspräsidenten. Und es wird heute Überraschungen für unser Publikum geben – beim roten Teppich und mit einer technischen Neuerung.
Das Team ruht sich also nicht auf den tollen Quoten der Vorjahre aus?
Am besten kann man den Ball in den Filzpantoffeln daheim vor dem Fernseher erleben. Und dafür bleibt das eingespielte ORF-Team kreativ und lässt sich jedes Jahr etwas Neues einfallen. Zudem wird die Mischung aus internationalen Topstars und Künstlern der Hochkultur, Staatsgästen, Mittelstars und solchen, die Stars sein wollen, vom Publikum goutiert.
Sie müssen ja immer höflich bleiben, während Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz schon ein bisschen austeilen können?
Das stimmt, ich bezeichne die beiden gerne als „Eintänzer“oder „Männer des harten Wor-
tes im Container“. Sie sitzen ja wirklich in einem Container – und nicht in einem Dachkammerl oder in einer Garderobe. Und haben mehr Pointen als „maschek“in einer Sendung. Sie müssen dem Menschen nicht gegenüberstehen, da lässt es sich leicht scherzen. Mirjam und ich schauen den Gästen in die Augen. Manche nennen uns ja „Grinsekatzen“.
Wie verstehen Sie denn Ihre Aufgabe?
Auf diesem Ball hat ein Moderator, Gastgeber oder Interviewer, wie immer man den Job beschreiben will, völlig unpolitisch zu sein. Und schon gar auf Sendung. Hier haben Innenpolitik oder irgendwelche politische Äußerungen nichts verloren, dafür gibt es „Thema“, die ZiB und den Wolf. Der Ball selbst hat wirtschaftspolitische und außenpolitische Aufgaben in den Gängen und Logen.
Wieso kam es zu einer Unterbrechung Ihrer Moderatorentätigkeit?
Weil sich der ORF zweimal für Dieter Chmelar entschieden hat, dann hat man mich aber wieder zurückgeholt.
Ihre Wünsche für die Zeit nach dem Opernball?
Ich will mehr in meinen ursprünglichen Beruf zurückkehren, also in die Schauspielerei. Ein „Tatort“etwa wäre toll.