VerdienteEhrungeines Nationalheiligtums
Der Große Diagonale-Schauspielpreis geht an Ingrid Burkhard (86).
Es liegt auf der Hand“, sagte sie unlängst im Interview mit dieser Zeitung, „dass mir immer Alte angeboten werden. Aber: Immer sind sie krank. Oder debil. Das interessiert mich nicht.“Diese Rolle aber hat sie angenommen: eine Bergbäuerin, die sich an ihre karge Existenz klammert, die durchhält, Tag für Tag, in Regen, Frost, Gatsch. Die das Vieh versorgt, den Hof. Eine vom Alter krumme, aber vom Leben ungebeugte Frau. „Die Einsiedler“heißt der außerordentliche, jüngst in unseren Kinos angelaufene Film des Südtiroler Regisseurs Ronny Trocker, in dem die 86 Jahre alte Ingrid Burkhard die Hauptrolle spielt. Es ist eine, man mag es fast nicht anders sagen, monumentale Performance. Dass Burkhard dabei fast ohne Worte auskommt, zeigt umso mehr die enorme Ausdrucksfähigkeit einer Schauspielerin, die sich in den 1970ern als Frau Toni, duldsame Gattin des legendären Vorstadtheißläufers Edmund „Mundl“Sackbauer in der Fernsehserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“, den Status eines Nationalheiligtums erspielte.
Lange hat diese Rolle viel von dem überdeckt, was Ingrid Burkhard als Schauspielerin zu leisten imstande war; an Burgtheater und Josefstadt, in Filmen wie Wolfgang Glücks „38 – Auch das war Wien“, Wolfgang Murnbergers „Komm, süßer Tod“, Nikolaus Leytners „Ein halbes Leben“. In Maren Ades Sensationsfilm „Toni Erdmann“war sie vor zwei Jahren als Mutter von Peter Simonischek zu sehen. Gestern wurde bekannt, dass Ingrid Burkhard zum Auftakt der heurigen Diagonale in Graz den Großen Schauspielpreis für Verdienste um die österreichische Filmkultur erhält. Das war, wie man so schön sagt, an der Zeit.