Außerdem bin ich Christin ...
Wenn eine Tochter und Schriftstellerin fragt, warum das Lebenswerk ihres Vaters „bepinkelt“wird.
Sie ist kämpferisch, aber keine Frau, die sich vor die Kulissen drängt. In einem Interview in der „Presse“hat diese Woche die Bachmannpreis-Trägerin NoraEugenie Gomringer das Avenidas-Gedicht (Alleengedicht) ihres Vaters („Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“), über das in dieser Kolumne am Samstag geschrieben wurde, verteidigt. Nicht als Tochter, nicht als Frau, sondern als Schriftstellerin. Dass das Gedicht auf der Fassade einer Uni übermalen wird, weil es als sexistisch gewertet wurde, kom- mentiert sie mit der Frage: „Warum ein Lebenswerk bepinkeln?“
Eine Leserin schreibt: „Wie arm ist eine Gesellschaft, wenn sie in diesem Gedicht sexistisches Gedankengut zu entdecken meint?“Ein Leser ätzt, dass es abseits dieser AvenidasDebatte natürlich „große Be- nachteiligungen von Frauen“gebe. „Sie müssen ihre Männer im Schnitt um fünf Jahre überleben, sich um Erbschaft und Grabpflege kümmern und jahrelang trauern. Fallweise werden die an Altersarmut leidenden Frauen noch von Betrügertypen ausgenommen ...“– Ein Leser, der im Gegensatz zum Lyriker Eugen Gomringer kein Bewunderer von Frauen sein dürfte, sich aber durch die Übermalungsaktion bestätigt fühlt. Frauen würden sich am liebsten immer als Opfer sehen.
Ein Vorwurf, der ja beim Streit um das Alleengedicht tatsächlich stimmt. Wer da dagegenhält, schwimmt offensichtlich bereits stark gegen den Strom in Genderfragen. Wie Nora Gomringer, die auch gegen den Strom schwimmt, wenn sie über sich sagt: „Außerdem bin ich Christin und lebe dankbar und hoffentlich besonnen.“
W er bleibt bei diesem Satz nicht hängen. Ein Bekenntnis, das schon fast wie aus einer anderen Welt klingt. Und auf einer Uni-Hausfassade sicher nicht länger überleben würde als ein „Bewunderer“.