„Der Aktienmarkt ist keine Einbahnstraße“
Nach dem Börsenbeben sind die Aktienmärkte jetzt wieder auf Erholungskurs. Experten sehen in den heftigen Kurskorrekturen auch eine „heilsame Wirkung“und „einen Schritt in Richtung Normalität“.
Nach dem Kurssturz zu Wochenbeginn haben die Börsen nun wieder einen Erholungskurs eingeschlagen. Der Wiener Leitindex ATX legte nach den deutlichen Abschlägen vom Vortag – und sieben Verlusttagen in Folge – gestern um knapp drei Prozent zu.
Während die Verluste also verdaut werden, verläuft die Interpretation der Geschehnisse weiterhin auf Hochtouren. Seitens der US-Notenbank Federal Reserve meldete sich mit Robert Kaplan nun ein hochrangiges Mitglied zu Wort – mit einer spannenden Einschätzung: „Diese Ereignisse können heilsam sein.“Denn die Marktbewertungen an den US-Börsen seien „historisch betrachtet relativ hoch“. Die jüngsten Turbulenzen, so seine Sichtweise, werden der US-Wirtschaft jedenfalls nicht schaden. Insgesamt ist aber zu beobachten, dass die Fed hinsichtlich weiterer Zinserhöhungen – zumindest verbal – Vorsicht walten lässt. Ka-
plan spricht etwa davon, dass es klug sei, „die geldpolitische Unterstützung der Wirtschaft behutsam zu verringern“. Wie berichtet, gilt die Sorge vor allzu rasanten Zinserhöhungen durch die Fed als einer der zentralen Auslöser für die Verwerfungen zu Wochengebinn.
Josef Obergantschnig, Chefinvestor der Fondsgesellschaft Security KAG (Grawe-Bankengruppe), sieht in den jüngsten Entwicklungen „auch einen Schritt in Richtung Normalität“, der sich auch die Finanzbranche stellen müsse. In den vergange-
nen Jahren zeigten die Kurse an den Aktienmärkten fast ausschließlich nach oben. „Zum Teil scheint es in Vergessenheit geraten zu sein, dass Kursschwankungen und Korrekturen dazugehören“, so Obergantschnig. „Der Aktienmarkt ist keine Einbahnstraße in den Himmel.“Wie es jetzt an den Märkten weitergeht, sei schwer einzuschätzen, mit einem tiefen Fall rechnet Obergantschnig nicht. Es sei aber durchaus denkbar, dass es an den Börsen heuer insgesamt turbulenter wird als in den vergangenen Jah- ren. Konjunkturell sei die Situation weiterhin sehr gut.
Das untermauert auch die aktuelle Winterprognose der EUKommission. Die erwarteten Wachstumsraten wurden abermals nach oben geschraubt (siehe Grafik). EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici betonte, dass 2017 das beste Jahr in den vergangenen zehn Jahren gewesen sei. Und auch der Ausblick für heuer und 2019 ist vielversprechend, es werde „ein robustes und dauerhaftes Wirtschaftswachstum“erwartet. Viele Wachstumsfaktoren seien aktuell stark ausgeprägt. Die Weltwirtschaft sei robust, die Kreditkosten in der Eurozone auf dem niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt, so Moscovici.
Die gesamte Wirtschaft der Eurozone rechnet die EU-Kommission heuer mit einem Wachstum von 2,3 Prozent, nächstes Jahr dann von zwei Prozent. Die Zahl der Arbeitssuchenden sei derzeit aber noch hoch. Der Rückgang werde langsam erfolgen, nötig sei ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum, sagt Moscovici.
Deutlich über dem EU-Schnitt liegt das Wachstum in Österreich. Die heimische Wirtschaft ist 2017 laut EU-Kommission mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung (BIP) von 3,1 Prozent doppelt so schnell gewachsen wie 2016. Für heuer sagt die EUKommission 2,9 Prozent Wachstum voraus, 2019 sollen es 2,3 Prozent werden.