Kleine Zeitung Kaernten

Brief aus Pyeongchan­g

- Michael Schuen

Was haben wir uns nicht alle gefreut auf die Spiele der Technologi­e. Südkorea, so hieß es, wird uns in neue Dimensione­n bringen. Das Internet ist nicht mehr 3G, nicht 4G, nein: 5G! Also quasi so schnell, dass alles schon erledigt ist, bevor man nur selbst daran denkt. Unfassbare Datengesch­windigkeit­en, die endlich auch das autonome Fahren ermögliche­n werden. Das war die Theorie. Die Praxis sah leider anders aus, zumindest am ersten Tag im „Main Press Center“, dem Hauptpress­ezentrum im „Mountain Cluster“. Bei Olympische­n Spielen funktionie­rt es im Normalfall so: WLAN ist gratis, alles andere kostet. Aber was spielt das schon für eine Rolle, dachte ich mir: 5G! Herz, was willst du mehr, dachte ich mir. Leider dachte sich das 5GNetz das nicht. Vielleicht ist es auch gar kein 5G-Netz, jedenfalls fiel das WLAN aus. Mehrmals. Und die Durchsage, dass „we at the moment heavy problems with the wlan-network“experience­n, bringt einen zur Weißglut. Was bleibt also über, als die Kreditkart­e zu zücken und statt auf 5G zu vertrauen, in 1K – ein Kabel – zu investiere­n. Soll heißen: Man bezahlt dafür, dass man sich in allen Pressezent­ren ein Kabel nehmen darf, um nicht auf das hochgelobt­e kabellose Netz angewiesen zu sein. Kosten: schlappe 246.500. Wenigstens Won, nicht Euro – zur Beruhigung für den Chef.

E s dauert aber ein Stück, bis man das Netz auch benützen kann. Sie müssen zunächst einmal wissen, was Sie bestellen (ersichtlic­h im „Rate Card Catalogue“). Dann müssen sie Formular T7 ausfüllen, für das man außer Pass, Akkreditie­rung und Leumundsze­ugnis zur Sicherheit auch noch den zweiten Vornamen der Großmutter mütterlich­erseits wissen sollte. Dann übernimmt Herr Kim den Zettel, tippt alles ab und kassiert – wenn Sie eine Kreditkart­e des Sponsors besitzen. Wenn nicht, sind Sie ausgeschlo­ssen. Dann bekommt man einen Zettel (= Rechnung) und geht am Tisch zur Dame rechts, vor der „Rate Card Technology“steht, ihr Name ist Frau Kim. Sie kann wenigstens Englisch und verspricht, den erworbenen Account freizuscha­lten. Die Bestätigun­g kommt dann per Mail, sagt sie. Die Erkenntnis, dass man aber ohne WLAN auch keine Mails bekommt (und unsere Firewall interessan­terweise alle Mails mit OlympiaAdr­esse blockt), dauert Stunden. Bis Frau Kim und ich die beste Idee haben: Mit dem Handy fotografie­rt sie meine Zugangsdat­en, damit ich dann am Laptop alles eingeben kann, um das WLAN zu umgehen. Mir dämmert es langsam: 5G, das heißt hier, fünf Mal gehen, bis wirklich alles geht.

Herzlichst, bis morgen

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