Nicht gut ausgestiegen
In Angela Merkels CDU rumort es. Der Verlust des Finanzministers schmerzt. Kritiker halten ihr schwere politische Fehler vor. Die Parteiführung wehrt sich: Man solle die CDU „nicht ins Koma reden“.
Den größten Applaus in der Unions-Bundestagsfraktion bekommen nicht Angela Merkel und der Koalitionsvertrag, sondern ein Minister. Thomas de Maizière, Minister in den drei bisherigen MerkelRegierungen, findet im neuen Personaltableau keinen Platz. Der Mann, der einst als potenzieller Merkel-Nachfolger galt, zieht sich aus der Politik zurück. Lange klatschten die Abgeordneten und bei manch einem mag es auch demonstrativ gewesen sein.
Denn man hat nun zwar diese 177 Seiten Vertragswerk, eine Regierung rückt näher. Aber die Stimmungslage beschreibt ein CDU-Vorstandsmitglied so: „Alle sind unglücklich, auch Angela Merkel.“Denn die Lek- türe des Koalitionsvertrags beginnt bei vielen von hinten, da, wo die Ressortverteilung steht. Und da ist festgehalten, dass die CDU im nächsten Kabinett wichtige Ministerien nicht mehr besetzen wird. Das Finanzressort geht an die SPD, das Innenministerium an die CSU. Für die CDU bleiben neben Kanzlerin und Kanzleramtsminister und dem wichtigen, aber auch skandalträchtigen Verteidigungsministerium wie bisher Gesundheits- und Bildungsministerium. Die CSU gibt immerhin das Agrarressort an die Schwesterpartei ab.
Und während die CSU sich ausdrücklich freut, der Parteichef Horst Seehofer von „viel Gutem für die Menschen“spricht und sein Generalsekretär von „Wort gehalten“, ist bei der CDU die
düsterer. Der Vorsitzende des Unions-Wirtschaftsflügels im Bundestag, Christian von Stetten, kritisiert in der ARD: „Der Kabinettszuschnitt, so wie er jetzt da ist, ist ein politischer Fehler.“Gerade das Finanzministerium abzugeben, werde bei den CDU-Mitgliedern nicht für Begeisterungsstürme sorgen. Und für die gesamte Mittelstandsvereinigung formuliert deren Präsident, Carsten Linnemann: „Die Ressortaufteilung geht ins Mark der CDU.“Während sowohl Linnemann als auch von Stetten zugestehen, dass es inhaltlich durchaus Fortschritte gebe, ist der Wirtschaftsrat, ein der Partei nahestehendes Unternehmergremium, einfach ganz grundsätzlich unzufrieden: „Diesem Vertrag kann nicht zugestimmt werden.“
Die Parteiführung versucht gegenzusteuern. Auch das Wirtschaftsministerium sei ein Schlüsselressort, sagt Merkel Teilnehmern zufolge in der Fraktion. Die CDU führe es nun erstmals seit 1963. Vize-Parteichefin Julia Klöckner ergänzt im Deutschlandfunk deutlich forscher, sie sei „dagegen, uns ins Koma zu reden“.
Man könne nun wirklich nicht so tun, als würden „das Land und die CDU am Abgrund stehen“. Der Koalitionsvertrag trage doch „deutlich eine Unionshandschrift“, auch in der Finanzpolitik. Da habe man schließlich festgeschrieben, dass es keine neue Schulden geben und die Steuern nicht erhöht werden dürften. Gute Ergebnisse gebe es zum Verkehr, die Kultur profitiert, die BunStimmung deswehr wird gestärkt. „Bei den Inhalten sind wir sehr zufrieden“, sagt auch der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak. In Merkels Umfeld wird darauf hingewiesen, dass die CDU sich des Finanzministeriums durchaus nicht habe sicher sein können. In den Jamaika-Verhandlungen etwa habe die FDP an dem Ressort Interesse gezeigt. Das Wirtschaftsministerium wird als „hochinteressant“beschrieben. Und dann gibt es noch den Hinweis, dass die Partei ja auch den Posten des Integrations-Staatsministers im Kanzleramt besetzen könne, den bisher die SPD innehatte.
In der Fraktion springt CSUChef Horst Seehofer Angela Merkel bei: Man hätte die Koalition ja schwerlich an der Ressortverteilung scheitern lassen können.