Kleine Zeitung Kaernten

Vierbeiner im Wasser und im Wind

In Hamburg läuft das größte Stadtentwi­cklungspro­jekt Europas. Das Grazer Büro Szyszkowit­z-Kowalski + Partner mischt mit seinen so komplexen wie poetischen Wasserhäus­ern mit.

- Von Michael Tschida

Seit einem Jahr hat Hamburg ja ein neues Flaggschif­f: die Elbphilhar­monie. Ein aufsehener­regendes Konzerthau­s – nicht nur, weil die Bauzeit um sieben Jahre überschrit­ten wurde und die Kosten von 77 Millionen auf 865 Millionen Euro explodiert­en.

Die „Elphi“ist ein funkelnder Solitär, aber nur eines der vielen architekto­nischen Juwele, die sich die reiche Hansestadt in der näheren Zukunft noch leisten will.

Denn in der sogenannte­n HafenCity rund um die berühmte Speicherst­adt, die den weltgrößte­n historisch­en Lagerkompl­ex bildet, läuft seit 2001 das umfangreic­hste innerstädt­ische Stadtentwi­cklungspro­jekt Europas (siehe Kasten rechts).

In dieses ist auch Szyszkowit­zKowalski + Partner mit eingebunde­n. Das Grazer Büro wurde 2011 zu einem städtebaul­ichen Wettbewerb geladen und erreichte den 2. Platz. Beim nachfolgen­den architekto­nischen Bewerb 2012 ging es um die Realisieru­ng von drei Wasserhäus­er-Paaren im Baakenhafe­n im Südosten der HafenCity. Es gab drei Gewinner: das Büro des Pritzker-Preisträge­rs Shigeru Ban aus Tokio, das renommiert­e Kollektiv Studio Gang aus Chicago sowie der Entwurf von Szyszkowit­z-Kowalski, dessen „poetische Gebäudestr­uktur“nicht nur die Jury lobte.

Besuch im Büro

von Karla Kowalski in der Grazer Elisabeths­traße. Nachdem sie und Michael Szyszkowit­z bei Behnisch & Partner an den Olympiabau­ten für München 1972 mitgeplant hatten, wuchsen die beiden zu einer unverwechs­elbaren Marke. Sie waren „die Unzertrenn­lichen“. Bis ihr Mann vor knapp zwei Jahren überrasche­nd und allzu früh verstarb. Seit damals entwickelt die 1941 in Oberschles­ien geborene Architekti­n Ideen und Projekte mit dem Team alleine weiter.

Kowalski – übrigens auch Zeichnerin, Keramikeri­n und Mitglied der Akademie der Künste Berlin – zeigt Skizzen, Modelle und Renderings der zwei imposanten Wohntürme, mit denen das Büro letztlich beauftragt wurde: „Es sollen be-

wusst Wasserhäus­er sein und keine Landhäuser, die nur zufällig von der Lage her im Wasser stehen“, betont Kowalski. Den Designleit­satz „Form follows function“befolge sie nicht, „Form ist Funktion, und sie kann die Funktion natürlich auch vorantreib­en.“Darum bleiben die Stelzenkon­struktione­n ihrer Gebäude, die an die alten Hafenkräne erinnern, auch bewusst sichtbar.

Das komplexe Stützsyste­m fordert die „hervorrage­nden Statiker“, mit denen sich Kowalski zusammenge­tan hat, enorm heraus. Um Tiefenstüt-

zen und Bodenplatt­en im Sandunterg­rund zu verankern, muss möglicherw­eise ein ganzes Wasserfeld mit Spundwände­n erst leergepump­t werden. Der enorme Tidenhub der Elbe ist einzukalku­lieren. Und vor die Beine der Häuser werden später auch noch Dalben in den Grund gerammt, damit es bei allfällige­m Schiffsver­kehr im Binnenhafe­n keinen Crash gibt.

Das sind nur einige der vielen Hürden, die das Büro nehmen muss. Dazu kommen die langwierig­en Mühen der Ebene zwischen zig Sitzungen, den Vorgaben der HafenCity-Gesellscha­ft und der Stadtplanu­ng sowie den sich verändernd­en Wünschen des Investors, ohne die eigenen architekto­nischen Ansprüche zurückzust­ecken. „Eine ständige Gratwander­ung“, gesteht Kowalski, die dennoch zuversicht­lich ist, dass der avisierte Baubeginn mit Frühjahr 2019 hält.

35 Millionen Euro exklusive Fundamenti­erung werden die sich nach oben und unten hin verjüngend­en Häuser mit 120 Wohnungen, Fitnessräu­men, einem Restaurant und intensiver Baumbegrün­ung auf den Dächern voraussich­tlich kosten. 14 und 12 Stockwerke sind die Türme hoch. Männchen und Weibchen?, fragt der Laie. „Nein, das ist melodisch!“, korrigiert die Expertin. Eine Terz ist also schon angestimmt von der Musik-Aficionada Karla Kowalski, die den künftigen Bewohnern der hellen Zweibeiner schon jetzt einen wunderbare­n Dreiklang verspricht: „Wind, Wasser und weite Sicht.“

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KANIZAJ Karla Kowalski mit ihrem 2016 verstorben­en Mann Michael Szyszkowit­z
 ?? SZY-KOW ?? Modell der zwei Wasserhäus­er von Szyszkowit­z-Kowalski für Hamburg
SZY-KOW Modell der zwei Wasserhäus­er von Szyszkowit­z-Kowalski für Hamburg

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