Die Turbulenzen an den Börsen halten an, die Nervosität steigt.
Eine der turbulentesten Börsenwochen der letzten Jahre ist in Europa mit Verlusten zu Ende gegangen. Woher kommt diese Nervosität?
1. AnderWallStreetging es für den Dow Jones in dieser Woche gleich zweimal um mehr als 1000 Punkte nach unten – auch in Asien und Europa brachen die Kurse immer wieder ein. Geht es jetzt in dieser Tonart weiter?
ANTWORT: Das lässt sich schwer vorhersagen. Experten rechnen vielfach damit, dass die Stimmung an den Aktienmärkten zumindest vorerst weiterhin von Unruhe und Nervosität geprägt sein wird. Wie lange diese Phase der Abwärtstendenz anhält, kann niemand seriös beantworten. Heftige Kursausschläge sind aber jedenfalls weiterhin möglich. „Wahnsinnig besorgniserregend“ist das aus Sicht von Erste-Chefanalyst Friedrich Mostböck nicht.
2. Ist das einfach eine Korrektur oder bahnt sich da Schlimmeres an?
ANTWORT: Josef Obergantsching von der Security KAG spricht von einer „überfälligen Normalisierung“. Tatsächlich gingen die Aktienindizes in den vergangenen Jahren fast ausschließlich nach oben. Befeuert wurde das von der Nullund Niedrigzinspolitik der Notenbanken, die für enorm viel Liquidität in den Märkten sorgt, gleichzeitig aber auch dafür, dass mit risikolosen, klassischen Anlageformen kein Geldwerterhalt mehr möglich ist. Obergantschnig: „Kursschwankungen und eine gewisse Volatilität muss man aushalten.“Das sei durch die lang anhaltende starke Aufwärtsentwicklung an den Aktienmärkten „in Vergessenheit geraten“.
Aufgrund des nach wie vor niedrigen Zinsniveaus spreche aus seiner Sicht – speziell in Europa – dennoch weiterhin vieles für Aktien.
3. Die Konjunktur brummt, die Zinsen liegen – vor allem in Europa–weiterhinsehrtief. Wo liegen die Hauptgründe für die Börsenbeben?
ANTWORT: Die US-Notenbank Fed hat – ganz im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank – schon vor einiger Zeit den Ausstieg aus der Billiggeld-Ära eingeläutet, geht dabei aber dennoch behutsam vor. Zuletzt sind die US-Jobdaten und damit auch die Lohnentwicklungen so gut ausgefallen, dass befürchtet wird, dass nun auch die Inflation schneller zulegen könnte. Das könnte dazu führen, dass die Fed die Leitzinsen schneller als bisher erwartet anheben muss. Allein diese Aussicht hat die Rendite auf US-Staatsanleihen erhöht, was diese attraktiver macht. Da insbesondere der Dow Jones in den vergangenen Jahren extrem zugelegt hat (plus 70 Prozent in fünf Jahren), kommt es auch zu Gewinnmitnahmen und Umschichtungen.
4. Welche Rolle spielt dabei der so oft ge----
nannte automatisierte Computerhandel?
ANTWORT: Er ist nicht die Ursache für die Abwärtstendenzen, kann diese aber maßgeblich verstärken und aus einem schlechten Handelstag gewissermaßen einen sehr schlechten machen. Faktum ist: Ein Großteil der Finanzmärkte wird mittlerweile durch Computerprogramme gesteuert. Werden bestimmte Kursmarken („StopOrders“) nach unten durchbrochen, werden automatisch und in Sekundenbruchteilen weitere Aktien aus den Depots der Anleger verkauft. Diese Mechanismen sollen Anleger vor zu großen Verlusten schützen.
5. Warum lassen sich Börsen in Europa von der Unruhe in den USA anstecken?
ANTWORT: Ausmaß und Geschwindigkeit der Kursverluste in den USA haben in einer ersten Reaktion tatsächlich auch global zu Verunsicherungen geführt. Experte Friedrich Mostböck ist hier aber um Beruhigung bemüht. „Die Abschläge in New York oder auch Asien werden im ATX deutlich abgefedert.“Das gelte auch für Aktienindizes in Zentral- und Osteuropa. Seiner Ansicht nach gebe es wenige Auswirkungen durch die Entwicklungen in den USA, „für Österreich und Osteuropa fast gar keine“. Er verweist darauf, dass der Konjunkturund Zinszyklus in Europa ein ganz anderer sei als in den USA. Tatsächlich ist man in der Eurozone, wo die Konjunktur derzeit besonders stark anzieht, von einer Leitzinserhöhung noch weit entfernt – zum Leidwesen der Sparer. Der US-Aktienmarkt wurde schon im Vorjahr immer wieder als „überhitzt“und „überbewertet“bezeichnet, in Europa, wo der Börsenaufschwung später eingesetzt hat, ist das noch nicht so stark ausgeprägt.
6. Bietet sich die aktuelle Situation an, um in Aktien zu investieren?
ANTWORT: Da Experten auch in der nächsten Zeit mit größeren Schwankungen rechnen und auch deutliche Kurskorrekturen nicht ausgeschlossen sind, sollte man derzeit eher abwarten. Das gilt insbesondere für US-Aktien. „So lange der Abwärtstrend anhält, würde ich vor Neueinstiegen in Amerika vollkommen absehen“, sagt Mostböck. Es brauche zumindest eine Stabilisierung von einigen Handelstagen. Und danach sieht es zumindest vorerst nicht aus, wie diese Handelswoche eindrucksvoll gezeigt hat.