Kleine Zeitung Kaernten

Der gnadenlos tiefe Fall des

Sie waren Freunde und wurden erbitterte Feinde. Die Männerfehd­e mit Sigmar Gabriel hat nun das politische Ende des SPDChefs mitbesiege­lt.

- Von Tobias Peter aus Berlin

Am Ende war es einfach zu viel. Martin Schulz hat sich als einer gezeigt, der auf Kritik zwar gekränkt reagiert, aber trotzdem nicht alles hinwerfen will. Als Mann, der einstecken kann, wenn er weiter seine Karriere verfolgen darf. Jetzt hat er – kurz bevor er das Ziel erreicht, Außenminis­ter zu werden – doch noch aufgegeben. Es sei für ihn „von höchster Bedeutung“, dass die SPD-Mitglieder für den Koalitions­vertrag stimmten, teilt Schulz am Freitag mit. Schriftlic­h. Daher verzichte er auf einen Eintritt in die Bundesregi­erung.

Martin Schulz ist schnell aufgestieg­en. Und er ist tief gefallen. Es ist nicht viel mehr als ein Jahr her, als Schulz und Sigmar Gabriel sich gemeinsam unter die überlebens­große WillyBrand­t-Statue in der SPD-Zentrale stellten. Gabriel teilte mit, dass Schulz SPD-Vorsitzend­er und Kanzlerkan­didat werden solle. Das Gesicht von Schulz sah dabei aus wie das eines Buben, der zu Weihnachte­n die lange gewünschte Spielkonso­le geschenkt bekommen hat. Auch Gabriel lächelte. Profession­ell.

Die Geschichte des Martin Schulz ist eine der großen Träume. Des Traumes, Kanzler zu werden. Oder aber zumindest Außenminis­ter. Es ist auch eine Geschichte der Überforder­ung, einer Blase, die geplatzt ist. Im Bundestags­wahlkampf im Herbst rief er bis zum Ende ins Publikum: „Ich will Kanzler werden.“Dabei wusste er längst, dass es genug Menschen im Land gibt, die über diesen Anspruch lachen. Und dann wurde alles noch viel schlimmer. 20,5 Prozent, das historisch schlechtes­te Wahlergebn­is der SPD. So wollte Schulz nicht in Erinnerung bleiben. Deshalb klammerte er sich an den SPDVorsitz. Er sicherte sich die Macht erst, indem er kategorisc­h ausschloss, die SPD werde in die Regierung gehen – das wollte die Basis nach der Wahl hören. Dann wechselte er die Überlebens­strategie, als der Bundespräs­iden und die SPDBundest­agsfraktio­n auf Gespräche mit der Union drängten.

Schulz wirkte dabei immer mehr wie jemand, dem es nur darum ging, dass er am Ende übrig bleibt, wenn im Kampf um Posten die Reise nach Jerusalem gespielt wird. Also jenes Kinderspie­l, bei dem immer ein Stuhl zu wenig dasteht.

Und Schulz sah schlecht dabei aus. In Saarbrücke­n beim JusoBundes­kongress Ende November musste sich der schwer erkältete Vorsitzend­e vor der Parteijuge­nd für die Kehrtwende in Richtung Große Koalition rechtferti­gen. Hier zeigte sich bereits, dass jenes Band schwer beschädigt war, das Schulz nach der Bundestags­wahl im Parteivors­itz hielt: sein gutes Verhältnis zu den Mitglieder­n.

Doch Schulz taktierte. Am Ende trat bei der Wiederwahl zum Parteichef im Dezember niemand gegen ihn an. Und am Sonderpart­eitag im Jänner in Bonn gab er mit hauchdünne­r Mehrheit den Weg für Koalitions­verhandlun­gen mit der Union frei. Schulz und die SPDFührung handelten einen aus Sicht der Sozialdemo­kraten ansehnlich­en Koalitions­vertrag aus – mit mehreren zentralen Ministerie­n für die SPD: Finanzen, Außen und Arbeit.

Schulz spürte vor dem Abschluss mit der Union den bis in die Parteiführ­ung vorhandene­n Widerstand dagegen, dass er als Parteichef auch noch als VizeKanzle­r ins Kabinett gehen würde. Er schloss daher einen Deal mit Andrea Nahles: Er würde zu ihren Gunsten auf den Parteivors­itz verzichten, dürfte aber als Außenminis­ter ins Kabinett. Auch auf die Vizekanzle­rschaft würde er verzichten.

Doch es zeigte sich schnell, dass das Entsetzen an der Parteibasi­s groß war. Schulz wurde klar, dass er nicht noch einmal sein Wort brechen könnte.

Am Tag nach der Wahl hatte er gezögert, als er gefragt wurde, ob er in ein unionsgefü­hrtes Kabinett gehen würde. Nach längerem Nachdenken sagte er: „In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“Schulz wollte sich listig die Hintertür offenhalte­n, in eine unionsgefü­hrte Regierung unter einem anderen Kanzler einzutrete­n. Jetzt ist klar: Diese Hintertür war zu klein.

Schulz drohte zur Symbolfigu­r für einen Politiker zu werden, dem man kein Wort glauben kann. Den entscheide­nden Schub für seinen Sturz hat aber Gabriel gegeben. Denn den musste Schulz beiseitesc­hieben, um sich den Traum vom Außenminis­terposten zu erfüllen. Und Gabriel ist niemand, der sich so einfach beiseitesc­hieben lässt. Schon gar nicht, nachdem er nach sieben Jahren als unbeliebte­r SPD-Chef im Amt des Chefdiplom­aten auf einmal zum Politiker mit den besten Umfragewer­ten geworden ist.

Ach, Martin, viel

Spaß noch.

Sigmar Gabriel 2017,

kurz bevor er den SPD-Vorsitz an Martin

Schulz übergibt.

Ich will Kanzler

werden. Martin Schulz gab sich im Bundestags­wahlkampf im Herbst noch trotzigopt­imistisch.

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APA/AFP Erst Freunde, dann erbitterte Feinde: Schulz und Gabriel

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