Der gnadenlos tiefe Fall des
Sie waren Freunde und wurden erbitterte Feinde. Die Männerfehde mit Sigmar Gabriel hat nun das politische Ende des SPDChefs mitbesiegelt.
Am Ende war es einfach zu viel. Martin Schulz hat sich als einer gezeigt, der auf Kritik zwar gekränkt reagiert, aber trotzdem nicht alles hinwerfen will. Als Mann, der einstecken kann, wenn er weiter seine Karriere verfolgen darf. Jetzt hat er – kurz bevor er das Ziel erreicht, Außenminister zu werden – doch noch aufgegeben. Es sei für ihn „von höchster Bedeutung“, dass die SPD-Mitglieder für den Koalitionsvertrag stimmten, teilt Schulz am Freitag mit. Schriftlich. Daher verzichte er auf einen Eintritt in die Bundesregierung.
Martin Schulz ist schnell aufgestiegen. Und er ist tief gefallen. Es ist nicht viel mehr als ein Jahr her, als Schulz und Sigmar Gabriel sich gemeinsam unter die überlebensgroße WillyBrandt-Statue in der SPD-Zentrale stellten. Gabriel teilte mit, dass Schulz SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden solle. Das Gesicht von Schulz sah dabei aus wie das eines Buben, der zu Weihnachten die lange gewünschte Spielkonsole geschenkt bekommen hat. Auch Gabriel lächelte. Professionell.
Die Geschichte des Martin Schulz ist eine der großen Träume. Des Traumes, Kanzler zu werden. Oder aber zumindest Außenminister. Es ist auch eine Geschichte der Überforderung, einer Blase, die geplatzt ist. Im Bundestagswahlkampf im Herbst rief er bis zum Ende ins Publikum: „Ich will Kanzler werden.“Dabei wusste er längst, dass es genug Menschen im Land gibt, die über diesen Anspruch lachen. Und dann wurde alles noch viel schlimmer. 20,5 Prozent, das historisch schlechteste Wahlergebnis der SPD. So wollte Schulz nicht in Erinnerung bleiben. Deshalb klammerte er sich an den SPDVorsitz. Er sicherte sich die Macht erst, indem er kategorisch ausschloss, die SPD werde in die Regierung gehen – das wollte die Basis nach der Wahl hören. Dann wechselte er die Überlebensstrategie, als der Bundespräsiden und die SPDBundestagsfraktion auf Gespräche mit der Union drängten.
Schulz wirkte dabei immer mehr wie jemand, dem es nur darum ging, dass er am Ende übrig bleibt, wenn im Kampf um Posten die Reise nach Jerusalem gespielt wird. Also jenes Kinderspiel, bei dem immer ein Stuhl zu wenig dasteht.
Und Schulz sah schlecht dabei aus. In Saarbrücken beim JusoBundeskongress Ende November musste sich der schwer erkältete Vorsitzende vor der Parteijugend für die Kehrtwende in Richtung Große Koalition rechtfertigen. Hier zeigte sich bereits, dass jenes Band schwer beschädigt war, das Schulz nach der Bundestagswahl im Parteivorsitz hielt: sein gutes Verhältnis zu den Mitgliedern.
Doch Schulz taktierte. Am Ende trat bei der Wiederwahl zum Parteichef im Dezember niemand gegen ihn an. Und am Sonderparteitag im Jänner in Bonn gab er mit hauchdünner Mehrheit den Weg für Koalitionsverhandlungen mit der Union frei. Schulz und die SPDFührung handelten einen aus Sicht der Sozialdemokraten ansehnlichen Koalitionsvertrag aus – mit mehreren zentralen Ministerien für die SPD: Finanzen, Außen und Arbeit.
Schulz spürte vor dem Abschluss mit der Union den bis in die Parteiführung vorhandenen Widerstand dagegen, dass er als Parteichef auch noch als VizeKanzler ins Kabinett gehen würde. Er schloss daher einen Deal mit Andrea Nahles: Er würde zu ihren Gunsten auf den Parteivorsitz verzichten, dürfte aber als Außenminister ins Kabinett. Auch auf die Vizekanzlerschaft würde er verzichten.
Doch es zeigte sich schnell, dass das Entsetzen an der Parteibasis groß war. Schulz wurde klar, dass er nicht noch einmal sein Wort brechen könnte.
Am Tag nach der Wahl hatte er gezögert, als er gefragt wurde, ob er in ein unionsgeführtes Kabinett gehen würde. Nach längerem Nachdenken sagte er: „In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“Schulz wollte sich listig die Hintertür offenhalten, in eine unionsgeführte Regierung unter einem anderen Kanzler einzutreten. Jetzt ist klar: Diese Hintertür war zu klein.
Schulz drohte zur Symbolfigur für einen Politiker zu werden, dem man kein Wort glauben kann. Den entscheidenden Schub für seinen Sturz hat aber Gabriel gegeben. Denn den musste Schulz beiseiteschieben, um sich den Traum vom Außenministerposten zu erfüllen. Und Gabriel ist niemand, der sich so einfach beiseiteschieben lässt. Schon gar nicht, nachdem er nach sieben Jahren als unbeliebter SPD-Chef im Amt des Chefdiplomaten auf einmal zum Politiker mit den besten Umfragewerten geworden ist.
Ach, Martin, viel
Spaß noch.
Sigmar Gabriel 2017,
kurz bevor er den SPD-Vorsitz an Martin
Schulz übergibt.
Ich will Kanzler
werden. Martin Schulz gab sich im Bundestagswahlkampf im Herbst noch trotzigoptimistisch.