„Glokalisierung“und ORF-Pläne
Facebook nimmt regionale Medien ins Visier. Für die FPÖ wird das ein Hilfsmittel zur weiteren Unterwanderung von Vertrauen – zum Beispiel in den ORF.
Die Einschläge kommen näher: Vizekanzler HeinzChristian Strache und sein Infrastrukturminister Norbert Hofer stellen die „Zwangsgebühr“für den ORF infrage. Wolfgang Wagner, Leiter der wichtigsten TV-Informationssendung ZiB 2 bewirbt sich für den „Report“. Online-Chef Thomas Prantner überdenkt die ORF-Präsenz auf Facebook. Unterdessen mehren sich die Angriffe gegen unliebsame Redakteure auf FPÖ-nahen Plattformen. Und Twitter, der digitale Tummelplatz für (ORF-)Journalisten, schreibt erstmals schwarze Zahlen.
Das Stakkato an Umwälzungen in Österreichs größtem Medienhaus, welche durch die neue Regierung angestrebt und ausgelöst werden, übertönt aber die Sorge um noch bedrohlichere globale Entwicklungen. Donald Trumps liebstes Kommunikationsmittel Twitter ist mit 330 Millionen Nutzern ein Zwerg gegen das siebenmal stärkere, hochprofitable Facebook.
Infolge von 2,1 Milliarden Anwendern hat es quantitativ den Plafond erreicht. Deshalb konzentriert sich das Netzwerk auf qualitative Änderungen. Dazu dient ihm eine Doppelstrategie: Der Algorithmus bevorzugt künftig Beiträge von Freunden gegenüber Medieninhalten und er präferiert lokale Quellen. Diese sollen von den Usern nach Bekanntheit und Vertrauenswürdigkeit gereiht werden. Wenn das so kommt, wie es jetzt klingt, will der globale Monopolist nicht nur regionale Medienlandschaften zerstören, sondern unterwandert Wechselwirkungen der Demokratie. „95 Prozent der Menschen verbringen 95 Prozent ihrer Zeit in einem Umkreis von 25 Kilometern.“
Auf dieser Basis sind bodenständige Medien erfolgreich. Durch Bürgernähe trotzen sie (inter)nationaler Konkurrenz. Ihr auch aus Kontrollfunktion entstandenes Vertrauen ist populistischen Parteien hinderlich. Sie bauen deshalb digitale Propaganda-Plattformen im Tarnmantel von Journalismus auf und lassen deren Meldungen von Parteigängern teilen. Vor allem via Facebook.
In dieser Flutwelle von Desinformation können sich anständige Nachrichtenmacher immer schwerer behaupten. Wenn Facebook seine Nutzerrankings wie geplant einführt, steigt dieser Druck weiter an. Strache und Hofer tragen ihre Angriffe auf den ORF via Facebook vor, aus dem der ihnen nicht fern stehende Onlinechef des ORF den Rückzug überlegt. Das Regierungsprogramm verheißt nationale Auflehnung gegen digitale Kolonialisierung. Die blauen Koalitionäre jedoch interpretieren Glokalisierung nicht als Widerstand gegen die USKonzerne. Sie nutzen deren Plattformen wie Donald Trump. Im eigenen Interesse. Im Zweifel auch gegen das Staatswohl.