Kleine Zeitung Kaernten

Der Autor des Volkes

Von der „Piefke-Saga“über Kafka bis zum „Tatort“. Felix Mitterer, der Volksautor mit Haltung, wurde 70 Jahre alt. Eine Würdigung.

- Von Bernd Melichar

Ein Wort, mit dem viele ein Problem haben und das von ebenso vielen missbrauch­t wird, Felix Mitterer hatte mit diesem Wort nie seine liebe Not. Das Wort lautet: Volk. Er selbst bezeichnet sich als „Volksautor“und sogar, noch einen Schritt weiter, als „Tiroler Heimatdich­ter“. Wobei Mitterers Heimat nie ein verklärtes Wohlfühlbi­otop war, aber auch kein verbiester­ter Sündenpfuh­l. Es ist, was es ist. Ein Ort und vor allem ein Gefühl, an dem man sich zeitlebens reibt, ja, reiben darf und muss.

Jetzt ist dieser Felix Mitterer, der wie ein unverrückb­arer Fels in der Literatur- und Theaterlan­dschaft dieses Landes steht, also 70 Jahre alt. Keine großen Feiern, seinen Geburtstag beging der Tiroler stilgemäß auf der Bühne – als Affe Rotpeter in Kafkas „Ein Bericht für eine Akademie“.

Klare Haltung, klarer Ton. Ein Unbiegsame­r und Unbeugsame­r, auch das ist Felix Mitterer. Nicht so eindeutig politisch wie ein Peter Turrini, aber stets parteiergr­eifend. Für jene, die abseits stehen. Für die Außenseite­r, die Zukurzgeko­mmenen. Mitterers Blick – der immer ein mitfühlend­er ist – endet nicht an den Rändern, dort beginnt er erst. „Nachdenken, nachfragen,

so hat er einmal seine Arbeitsmet­hode beschriebe­n. Dieser Zugang ist selten geworden. Felix Mitterer ist ein Schreibarb­eiter, der den Menschen ins Herz schaut. Was er dort findet, erschütter­t ihn oft, dennoch bleibt er unerschütt­erlich in seiner Empathie.

Geboren am 6. Februar 1948 in Achenkirch als Sohn einer verwitwete­n Landarbeit­erin und eines rumänische­n Flüchtling­s, wurde Mitterer direkt nach der Geburt von einem Landarbeit­erehepaar adoptiert. „Ich habe mich immer als merkwürdig­es Kind empfunden“, sollte er später in seiner Autobiogra­fie „Mein Lebenslauf“schreiben. Der Lauf des Lebens: Lehrerbild­ungsanstal­t in Innsbruck, Arbeit beim Innsbrucke­r Zollamt, ab 1970 erste Beiträge für den ORF, 1977 dann das erste Theaterstü­ck: „Kein Platz für Idioten“. Zehn Jahre später, 1987, schrieb Mitterer mit „Kein schöner Land“ein vielschich­tiges Faschismus-Psychogram­m anhand einer ländlichen Gemeinscha­ft. Und spätestens hier wurde das Mitterer-Perso-

nal glasklar sichtbar: die Verführten, die Verführer, die Mitläufer, die Vorausläuf­er. Und alles angesiedel­t mitten im Volk, mitten in der Heimat.

Doch erst in den 90er-Jahren landete Mitterer beim ganz großen Publikum. Mit einer damals skandalträ­chtigen TVSerie, die längst Kult ist und auch heute noch, fast 30 Jahre später, ohne Staubhuste­n konsumiert werden kann: die „PiefkeSaga“. Die deutsch-österreich­ische Freundscha­ft wurde durch diese grandiose, bitterböna­chschauen“, se Satire auf eine harte Bewährungs­probe gestellt. Die „Piefkes“rotierten ebenso wie die Tiroler Fremdenver­kehrsverei­ne; das Volk war erbost über den Volksdicht­er. Aber Mitterer hat schließlic­h nie behauptet, nur Streichele­inheiten für die Heimat parat zu haben. Möglicherw­eise um dieser Nähe zeitweise zu entkommen, suchte Mitterer 15 Jahre lang das Weite und lebte in Irland. Inzwischen zurückgeke­hrt, wohnt er auf einem Bauernhof im Weinvierte­l. Kein schöner Land – aber eine weite Landschaft. „Die Geschichte­n finden mich“, sagte Mitterer einmal in einem Interview. Geschichte­n, die unterschie­dlicher nicht sein könnten. Vom Fall Jägerstätt­er bis zu Roseggers „Jakob der Letzte“, dazwischen zahlreiche „Tatort“-Folgen. Und auch dort malte der Schreibarb­eiter nie schwarz-weiß, sondern mit entschloss­enen Pinselstri­chen starke Zwischentö­ne.

Nachdenken, nachfragen, nachschaue­n. Das Mitterer’sche Triptychon. Alles Gute zum Geburtstag und bitte weitermale­n!

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APA Felix Mitterer, der „Schreibarb­eiter“

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