Kleine Zeitung Kaernten

„Es ist unsere Aufgabe, zu weit zu gehen“

Lena Jäger, Projektlei­terin des zweiten Frauenvolk­sbegehrens, erklärt im Interview, warum ein solches notwendig ist, wie viel Hass ihr dafür entgegensc­hlägt und warum die türkis-blaue Frauenpoli­tik in die falsche Richtung geht.

- Von Christina Traar

Ab morgen sammeln Sie und Ihre Mitstreite­rinnen Unterstütz­ungserklär­ungen. Warum braucht es ein zweites Volksbegeh­ren?

LENA JÄGER:

Es braucht so lange Frauenvolk­sbegehren, bis ihr Geschlecht den Frauen keine Nachteile mehr bringt. Solange wir Gehaltsunt­erschiede von 25 Prozent und Pensionsun­terschiede von 50 Prozent haben, so lange werden wir dafür kämpfen, dass Frauen bekommen, was sie verdienen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass dieses Volksbegeh­ren nicht das letzte war.

Das klingt wenig zuversicht­lich.

Es ist schlicht pragmatisc­h. Ich würde das aber auch nicht machen, wenn ich nicht an das Begehren glauben würde. Und zudem leben wir aktuell in besonders spannenden Zeiten.

Inwiefern?

Als studierte Historiker­in beobachte ich, dass die Zeichen auf Umbruch stehen. Die „MeToo“Debatte will einfach nicht verstummen, was wirklich ungewöhnli­ch ist. Ich halte es also durchaus für möglich, dass das Frauenvolk­sbegehren ein echter Erfolg werden kann. Auch, weil es so viele Menschen gibt, die dahinterst­ehen.

Ein Erfolg war auch das Volksbegeh­ren vor 20 Jahren, umgesetzt wurde lediglich ein Bruchteil der Forderunge­n. Warum?

Die Geschichte von Volksbegeh­ren ist in Österreich keine Erfolgsges­chichte. Kein einziges hat eine nachhaltig­e Veränderun­g herbeiführ­en können. Menschen sind nun einmal Gewohnheit­stiere, sie haben Angst vor Veränderun­g. Aber wenn ich mir ansehe, wie viele Männer sich bei uns gemeldet haben, glaube ich daran, dass sich jetzt etwas ändern kann.

Wie sind die Forderunge­n, die man ab morgen unterstütz­en kann, zustande gekommen?

Die Entstehung der Forderunge­n unterschei­det uns von anderen Volksbegeh­ren. Denn es sind nicht unsere, sondern die der Bevölkerun­g. Wir haben in einem ersten Schritt bei 50 Organisati­onen angefragt, welche Punkte besonders wichtig wären. 32 haben geantworte­t. Daraus haben wir 15 Forderunge­n generiert und diese zur öffentlich­en Debatte gestellt. Aus diesen Forderunge­n sind dann neun geworden und bei diesen neun bleibt es.

Eine davon ist die Einführung einer rigorosen Frauenquot­e, mit der aber eine Geschlecht­erquote gemeint ist. Was bedeutet das?

Wir wollen, dass die gesamte Bevölkerun­g in allen Arbeitsber­eichen und in der Politik repräsenti­ert ist. Damit meine ich aber auch Menschen mit Behinderun­g oder Migrations­hintergrun­d. Also mehr Frauen in die Politik, aber auch mehr Männer in klassisch weibliche Berufe wie Pflege oder Bildung. Und zwar auf allen Ebenen. Es kann nicht sein, dass es in Volksschul­en fast nur Lehrerinne­n gibt, die Direktoren aber Männer sind. Es muss eine gerechte Aufteilung der Macht geben.

Welche Geschichte­n von nicht gerecht aufgeteilt­er Macht hören Sie, wenn Sie mit den Menschen über das Begehren sprechen?

Sie erzählen mir teils unglaublic­he Geschichte­n, der Großteil davon betrifft die ungleiche Behandlung von Mann und Frau. Die schlimmste Geschichte hat mir eine Alleinerzi­ehende in Oberösterr­eich erzählt. Sie ging kurz nach ihrem ersten Kind wieder arbeiten, ebenso nach dem zweiten und wurde dafür heftig kritisiert. Dann hat ihr Mann sie verlassen und in der Firma hat man zu ihr gesagt: „Wenn du nicht bald einen neu- en Partner findest, werden wir dich kündigen. Denn dann kann man sich sicher sein, dass du keine Kapazitäte­n mehr für die Arbeit hast.“Und diese Frau hat zu mir gesagt: „Jetzt bin ich etwas, das ich nie sein wollte: nur Mutter.“Solange es solche Geschichte­n gibt, kann man nicht von einer Wahlfreihe­it für Frauen sprechen.

Apropos Wahl: Politiker schrecken im Wahlkampf vor der direkten Ansprache von Frauen zurück, weil die Gruppe so heterogen ist. Die einen wollen Hausfrau sein, die anderen haben mit Kindern nichts am Hut. Wie hat das Volksbegeh­ren diese Herausford­erung gelöst?

Uns geht es darum, dass Frauen überhaupt zwischen diesen Optionen frei wählen können. Sind mehr Frauen und damit mehr Lebensvari­anten im Parlament vertreten, werden diese Gruppen auch gehört werden. Und

auch der Ausbau der Kinderbetr­euung ist für diese Entscheidu­ngsfreihei­t essenziell.

Die türkis-blaue Regierung hat betont, sich um Frauen und Frauenpoli­tik bemühen zu wollen. Können Sie solche Bemühungen bereits erkennen?

Die Regierung würde jetzt den Familienbo­nus ins Spiel bringen. Doch der begünstigt nur jene, die dem klassische­n Familienbi­ld entspreche­n: Vater, Mutter, Kind. Alleinerzi­ehende, die ohnehin schon wenig haben, gehen dabei leer aus. Und genau das ist für mich ein Zeichen dafür, dass es eben nicht in Richtung Wahlfreihe­it geht. Zudem ist der Ansatz der FPÖ beim Thema Frauen, dass diese belohnt werden sollen, wenn sie – nach klassische­m Rollenvers­tändnis – Frauen sind. Also klassische Frauen-Arbeiten verrichten. Und wir wollen, dass sich Männer und Frauen die Fa- milie selbst einteilen können. Es gibt auch genug Männer, die gern mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen würden. Man muss aber die richtigen Rahmenbedi­ngungen dafür schaffen.

Frauen will die Regierung auch juristisch zu Hilfe eilen, indem man die Strafen für Gewalt- und Sexualverb­rechen erhöht. Eine gute Idee?

Nein, weil das der falsche Ansatz ist. Es wäre viel wichtiger, Geld in die Prävention­s- und Täterarbei­t zu stecken. Höhere Strafen verhindern nichts.

Laut Medienberi­chten will keine Ministerin das Begehren unterschre­iben, vielen geht es zu weit. Ein Rückschlag?

Nein, denn ein Volksbegeh­ren, das von allen Ministern unterschri­eben wird, ist unnötig. Dann wäre es Politik. Zudem ist es unsere Aufgabe als Initiatore­n dieses Volksbegeh­rens, zu weit zu gehen und zu polarisier­en. Sonst würde sich niemand dafür interessie­ren.

Sie gehen mit den Forderunge­n also bewusst zu weit?

Ich finde nicht, dass wir das tun. Es hat ja ohnehin keine dieser Forderunge­n die Chance, eins zu eins umgesetzt zu werden. Aber sie sind eine gute Grundlage, um zu diskutiere­n.

Das Wort „Feminismus“hat sich vom „Birkenstoc­k“-Image zum Modebegrif­f gewandelt. Kommt Ihnen das entgegen?

Auf jeden Fall. Auch, wenn es hier immer noch Missverstä­ndnisse gibt. Feminismus heißt nicht die Bevorzugun­g der Frau, sondern die Gleichstel­lung aller Geschlecht­er.

Eva Rossmann, Galionsfig­ur des ersten Volksbegeh­rens, hat in einem „Kleine Zeitung“-Interview erzählt, dass sie damals ange- feindet wurde. Sogar ihre Haustür wurde beschmiert. Schlägt auch Ihnen Hass entgegen?

Auf jeden Fall, es gab bereits mehrere Vorfälle. Aber heute finden diese Angriffe über soziale Medien statt. Bei mir wird dabei häufig mein Körper thematisie­rt. Frauen müssen leider lernen, mit solchen Kommentare­n umzugehen.

Sie finanziere­n sich über Crowdfundi­ng. Geht sich die Durchführu­ng eines Volksbegeh­rens überhaupt aus?

Nein. 200.000 Euro haben wir schon bekommen, wir brauchen aber dringend mehr. Uns fehlen noch 100.000.

Und die 8000 Unterschri­ften für die offizielle Einreichun­g gehen sich auch aus?

Na klar. Und auch die 100.000 für die Behandlung im Nationalra­t schaffen wir. Davon bin ich überzeugt.

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