Kleine Zeitung Kaernten

Unerträgli­che Ambivalenz

Will die FPÖ ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufschlage­n, bedarf es mehr als einer Historiker­kommission. Glaubwürdi­gkeit ist gefragt, nicht eine Politik der Ambivalenz.

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Es ist Heinz-Christian Strache hoch anzurechne­n, dass er eine Historiker­kommission eingesetzt hat, die die nicht immer ganz republikst­reue, bisweilen höchst unpatrioti­sche, weil deutschtüm­elnde und punktuell NS-verharmlos­ende Geschichte des Dritten Lagers durchforst­en soll. Bis zur Republiksf­eier im Herbst soll ein erster Zwischenbe­richt vorgelegt werden. Eine Partei, die im Umgang mit der österreich­ischen Geschichte Ambivalenz­en zulässt, hat in einer Regierung der Zweiten Republik nichts verloren.

Ob der FPÖ-Chef auf Druck des Bundespräs­identen oder auf Bitten des Kanzlers gehandelt hat, ist völlig unerheblic­h. Zumindest haben Strache, aber auch Walter Rosenkranz, der das Projekt vorgestell­t hat, begriffen, dass sich die FPÖ als Regierungs­partei in einer anderen Rolle befindet als als Opposition­spartei. Unerträgli­che Postings, ungustiöse Rülpser, unpassende Liedtexte, selbst wenn sie in irgendwelc­hen Hinterzimm­ern schlummern, fallen, sobald sie das Licht der Welt und den Weg in die mitunter hysterisie­rte Medienwelt ge- funden haben, der Regierung auf den Kopf. Statt zu regieren, muss sich die Koalition in Schadensbe­grenzung üben.

Dass die Historiker­kommission eine einzige Augenauswi­scherei sei, wie von manchen Kritikern moniert, ist keineswegs sicher. In der Vergangenh­eit sind immer wieder vergleichb­are Gruppen eingesetzt worden, die als politische­s Feigenblat­t aus der Taufe gehoben wurden, bald aber ein Eigenleben entwickelt und unbequeme Ergebnisse gezeitigt haben – erinnert sei an Waldheim oder die EU-Sanktionen. Wilhelm Brauneder, der Chef der Kommission, hat es allerdings in der Hand, ob die dunklen Flecken freiheitli­cher Vergangenh­eit ausgeleuch­tet oder doch wieder unter den Teppich gekehrt werden. Zu befürchten ist Letzteres, bis zur Vorlage des Berichts gilt jedoch die Unschuldsv­ermutung.

Will die FPÖ wirklich ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufschlage­n, bedarf es mehr als einer Historiker­kommission. Johann Gudenus, der geschäftsf­ührende Klubobmann, erachtet den Schritt offenkundi­g als lästige Pflichtübu­ng, wenn er bei der Präsentati­on gestern spöttisch meint, die FPÖ stelle sich „wieder einmal“der eigenen Geschichte. Auch die völlig unprofessi­onelle Rekrutieru­ng Brauneders lässt Zweifel aufkommen. ie FPÖ sollte endlich Schluss machen mit ihrer unerträgli­chen Politik der Ambivalenz. Eine Historiker­kommission einzusetze­n, um sie im nächsten Halbsatz zu relativier­en, ist genauso unerträgli­ch wie die Beteuerung, Udo Landbauer werde nicht wegen des Liederbuch­s, sondern wegen „einer Medienhatz“abberufen, wie der Versuch, ein Interview über den „Kosovo als Teil Serbiens“als irreführen­de Interpreta­tion darzustell­en – oder ein ungeheuerl­iches Posting über den ORF als Lügensende­r mit dem Konterfei von Armin Wolf als „Satire“zu relativier­en. Glaubwürdi­gkeit sieht anders aus.

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