Unerträgliche Ambivalenz
Will die FPÖ ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufschlagen, bedarf es mehr als einer Historikerkommission. Glaubwürdigkeit ist gefragt, nicht eine Politik der Ambivalenz.
Es ist Heinz-Christian Strache hoch anzurechnen, dass er eine Historikerkommission eingesetzt hat, die die nicht immer ganz republikstreue, bisweilen höchst unpatriotische, weil deutschtümelnde und punktuell NS-verharmlosende Geschichte des Dritten Lagers durchforsten soll. Bis zur Republiksfeier im Herbst soll ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden. Eine Partei, die im Umgang mit der österreichischen Geschichte Ambivalenzen zulässt, hat in einer Regierung der Zweiten Republik nichts verloren.
Ob der FPÖ-Chef auf Druck des Bundespräsidenten oder auf Bitten des Kanzlers gehandelt hat, ist völlig unerheblich. Zumindest haben Strache, aber auch Walter Rosenkranz, der das Projekt vorgestellt hat, begriffen, dass sich die FPÖ als Regierungspartei in einer anderen Rolle befindet als als Oppositionspartei. Unerträgliche Postings, ungustiöse Rülpser, unpassende Liedtexte, selbst wenn sie in irgendwelchen Hinterzimmern schlummern, fallen, sobald sie das Licht der Welt und den Weg in die mitunter hysterisierte Medienwelt ge- funden haben, der Regierung auf den Kopf. Statt zu regieren, muss sich die Koalition in Schadensbegrenzung üben.
Dass die Historikerkommission eine einzige Augenauswischerei sei, wie von manchen Kritikern moniert, ist keineswegs sicher. In der Vergangenheit sind immer wieder vergleichbare Gruppen eingesetzt worden, die als politisches Feigenblatt aus der Taufe gehoben wurden, bald aber ein Eigenleben entwickelt und unbequeme Ergebnisse gezeitigt haben – erinnert sei an Waldheim oder die EU-Sanktionen. Wilhelm Brauneder, der Chef der Kommission, hat es allerdings in der Hand, ob die dunklen Flecken freiheitlicher Vergangenheit ausgeleuchtet oder doch wieder unter den Teppich gekehrt werden. Zu befürchten ist Letzteres, bis zur Vorlage des Berichts gilt jedoch die Unschuldsvermutung.
Will die FPÖ wirklich ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufschlagen, bedarf es mehr als einer Historikerkommission. Johann Gudenus, der geschäftsführende Klubobmann, erachtet den Schritt offenkundig als lästige Pflichtübung, wenn er bei der Präsentation gestern spöttisch meint, die FPÖ stelle sich „wieder einmal“der eigenen Geschichte. Auch die völlig unprofessionelle Rekrutierung Brauneders lässt Zweifel aufkommen. ie FPÖ sollte endlich Schluss machen mit ihrer unerträglichen Politik der Ambivalenz. Eine Historikerkommission einzusetzen, um sie im nächsten Halbsatz zu relativieren, ist genauso unerträglich wie die Beteuerung, Udo Landbauer werde nicht wegen des Liederbuchs, sondern wegen „einer Medienhatz“abberufen, wie der Versuch, ein Interview über den „Kosovo als Teil Serbiens“als irreführende Interpretation darzustellen – oder ein ungeheuerliches Posting über den ORF als Lügensender mit dem Konterfei von Armin Wolf als „Satire“zu relativieren. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.
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