VOLLENDUNG EINER KARRIERE HIRSCHERS ERSTES GOLD
Marcel Hirscher hat schon in der Kombination das große Ziel eingefahren: Er holte die erste Olympia-Goldmedaille seiner Laufbahn.
Der Sekt blieb ungeöffnet, die Dusche für die Fans aus. Der Empfang war fast so schnell vorbei, wie er gebraucht hatte, um das große Ziel zu erreichen, das ihn vor Olympia angetrieben hatte: Die Goldmedaille, das fehlende Puzzleteil seiner Laufbahn, baumelte um seinen Hals. Und Hirscher wirkte eher müde als enthusiasmiert. Nicht euphorisch, sondern nüchtern. Oder besser: erleichtert. „Es nimmt mir nicht die Luft“, sagte der 29Jährige, „aber es hat mir halt den Druck rausgelassen.“Und dann erklärte er, dass dieses Gold nicht so viel wert für ihn habe wie ein Sieg in Schladming vor 40.000, 50.000 Zuschauern (siehe auch Interview Seite 58). „Wir sind hier irgendwo, es sind keine Leute und wir fahren halt ein Rennen. Klar, der ideelle Wert ist natürlich unbeschreiblich groß und viel größer ist er in der Außenwirkung.“
Es war letztlich eine knappe Sache in Jeongseon: 23 Hundertstelsekunden war Hirscher schneller als Alexis Pinturault, nach der vielleicht besten Kombination seines Lebens. Einer starken Abfahrt („Ich war am Tag davor noch zum Straftraining, Super-G mit Svindal und Reichelt“), mit der er mit nur 1,32 Sekunden Rückstand den Grundstein legte, folgte ein phänomenaler Slalom. Deswegen, weil Hirscher mit Wind zu kämpfen hatte, keine Bodensicht hatte. „Ich habe mir nur gedacht: cool bleiben, cool bleiben. Lass den Ski das machen, was er normal macht.“Es gelang, Hirscher fuhr Bestzeit, das reichte zum Sieg. „Heute“, sagte Hirscher, „bin ich stolz auf mich, vor allem was das Skifahren betrifft. Bei allen anderen Kombinationen habe ich mehr Glück gebraucht als heute ...“
Dieser 13. Februar 2018 war 20 Jahre nach dem Olympiasieg von Mario Reiter, der 1998 vom Abflug Hermann Maiers überdeckt worden war, wieder zum
Gold-Tag eines Österreichers in der Kombination geworden. Und das, wusste Hirschers Trainer Mike Pircher, war auch Materialsache: „Wir haben am Tag vor der Kombination im Training noch am Set-up gefeilt und die Ski haben sowohl in der Abfahrt als auch im Slalom gepasst. Wir müssen den Serviceleuten danken.“Dann gestand der Steirer: „Wir sind hierher gekommen, um Gold zu holen. Drei Mal Silber wäre nicht gut genug gewesen. Dass er es jetzt gleich im ersten Rennen geschafft hat, ist ein Wahnsinn.“So groß, dass auch der Ramsauer auf der Piste kurz innehalten musste: „Als es feststand, da sind sogar mir die Tränen heruntergeronnen. Dabei bin ich so ein cooler Hund normal.“
Und während alles über Hirscher jubelte, war da ein zweiter Österreicher, der ein wenig traurig war. Marco Schwarz hatte es in der Hand, für eine zweite Medaille zu sorgen, nach einer fast ebenso guten Abfahrt wie Hirscher. „Aber ich habe mich im Slalom am Anfang nicht so gut gefühlt, bin nicht gleich mit den Bedingungen zurechtgekommen.“0,33 Sekunden fehlten so letztlich auf eine Medaille.
Zufrieden war auch Alexis Pinturault. Trotz des knappen Rückstandes verbeugte er sich vor Hirscher: „Er ist der beste Skifahrer aller Zeiten. Es ist eine Ehre, neben ihm Zweiter zu sein. Er kann alle Rekorde brechen – er muss nur wollen und bis 33, 34 weiterfahren.“Das steht bei Hirscher mehr als in den Sternen. Fix ist nur, dass er bei Olympia noch zwei Mal am Start ist. Und Cheftrainer Andreas Puelacher meinte: „Jetzt ist er nicht mehr aufzuhalten. Ich freue mich auf die Rennen mit ihm, die noch kommen.“Das tut auch Marcel Hirscher. Denn bei aller Kritik an Olympia: Die Lust am Siegen und an Medaillen hat er nicht verloren. Und wer weiß, vielleicht kommt mit ihnen dann auch die Lust aufs Feiern wieder zurück.