Kleine Zeitung Kaernten

„Wir sind Europas isoliertes­tes Land“

Der kosovarisc­he Vizepremie­r Dardan Gashi über die stockende EU-Perspektiv­e seines Heimatland­es.

- Interview: Christian Wehrschütz

Vor zehn Jahren haben praktisch alle Albaner die Unabhängig­keitserklä­rung des Kosovo frenetisch bejubelt. Wie schätzen Sie die Stimmung heute ein?

DARDAN GASHI: Die Stimmung ist etwas getrübt, hauptsächl­ich weil der Kosovo zehn Jahre nach der Unabhängig­keit noch immer das isoliertes­te Land in Europa bleibt. Das betrifft die fehlende Visa-Liberalisi­erung. Die EU-Zukunft des Kosovo ist immer noch nicht auf Schiene, wie wir das damals gehofft haben. Die Visa-Liberalisi­erung hängt am Grenzstrei­t mit Montenegro. Der Kosovo hat das Abkommen von 2015 noch immer nicht ratifizier­t, es gab dagegen massive politische Proteste. Das ist kein Streit zwischen Montenegro und dem Kosovo, das ist ein interner Streit politische­r Parteien, den man nationalis­tisch hochgekoch­t hat, aber es gibt eine Besinnung. Wir sind auf dem besten Weg, das zu beenden.

Das Verhältnis zwischen Serben und Albanern im Kosovo hat sich entspannt. Problemati­sch bleibt die Integratio­n des serbisch dominierte­n Nordens, wo jüngst ein bekannter serbischer Politiker ermordet wurde. Dieser Mord hat keinen ethnischen Hintergrun­d. Das hat auch Belgrad eingestand­en. Zwischenfä­lle auf der Grundlage ethnischer Spannungen gibt es kaum. Der Norden wird leider noch immer von kriminelle­n Banden kontrollie­rt. Polizei, Justiz und sonstige In- stitutione­n sind präsent, aber noch immer nicht stark genug, weil wird dort von Belgrad unterminie­rt werden, direkt von offizielle­r Seite. Im Kosovo ist die Arbeitslos­igkeit weiter hoch und die ausländisc­hen Direktinve­stitionen gering. Das liegt doch auch vor allem an den Regierunge­n der vergangene­n zehn Jahre. Es gibt Besserunge­n; wir haben im Dezember einen Vertrag über 1,2 Milliarden Euro unterschri­eben mit einer amerikanis­chen Firma, die hier das wohl letzte Kohlekraft­werk in Europa bauen wird. Und es gibt sonstige andere Investitio­nen. Aber das greift langsam. Die Stimmung ist zu Recht betrübt.

Wie steht es um den Kampf gegen Korruption und organisier­te Kriminalit­ät? Den Kosovo unterstütz­t hat dabei die EU-Mission Eulex mit Richtern und Staatsanwä­lten. Was ist geschehen? Wenig, auch die Skandale, die zuletzt aufgekomme­n sind innerhalb der Eulex, haben nicht dazu beigetrage­n, die Bewertung positiv zu sehen. Es sind viele Fälle aufgegriff­en, viele Gerichtsve­rfahren begonnen worden, aber ganz wenige Verurteilu­ngen haben stattgefun­den. Deswegen finden wir es auch etwas verwunderl­ich, dass man uns den Vorwurf macht, wir hätten nicht genug getan für die Bekämpfung von Korruption und Organisier­ter Kriminalit­ät.

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CHRISTIAN WEHRSCHÜTZ Kosovos Vizepremie­r Dardan Gashi

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