Kleine Zeitung Kaernten

Europa, weder gratis noch umsonst

- Günther Öttinger

DÖsterreic­h kostet die EU-Mitgliedsc­haft 800 Millionen. Das sind rund 25 Cent pro Person und Tag. Das ist wahrlich nicht die Welt.

urch den britischen EU-Ausstieg geht der Union die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft und dem EU-Budget ein – trotz „Britenraba­tt“– wichtiger Nettozahle­r verloren. Dem mehrjährig­en EU-Haushalt, der in Kürze zur Verhandlun­g ansteht, könnten dann bis zu 12 Milliarden an Beiträgen fehlen. Allerdings wissen wir bis heute nicht, wie die zukünftige Beziehung zwischen der EU und Großbritan­nien aussehen wird. Je nach Verhandlun­gsergebnis wird sich aber auch das Vereinigte Königreich seinen „Sonderstat­us“im wahrsten Sinne des Wortes erkaufen müssen.

Davon abgesehen: Wird die Diskussion um den Brexit und die Neugestalt­ung der EU zusehends auf eine Nettozahle­r-Debatte reduziert, zäumt man nicht nur das Pferd von hinten auf, sondern bewegt sich auch abseits jeder politische­n und ökonomisch­en Vernunft. Denn eine Kosten-Nutzen-Analyse der europäisch­en Integratio­n geht weit über Budgetzahl­en hinaus. Und gerade wenn man möchte, dass die Union ihre Aufgaben effektiver als bisher wahrnimmt, braucht es eben auch entspreche­nde finanziell­e Ressourcen.

An gemeinsame­n Herausford­erungen mangelt es nicht: vom Klima- bis zum Außengrenz­schutz, von der Hilfe für die Herkunftsl­änder der Migrations­bewegungen bis zur Terrorbekä­mpfung, von der Außen- und Verteidigu­ngspolitik zur Steuer-, Investitio­ns- und Kohäsionsp­olitik, vom digitalen Binnenmark­t über die Energiepol­itik bis hin zu neuen Anforderun­gen für den Arbeitsmar­kt. Um diese Aufgaben realistisc­h bewältigen zu können, haben Deutschlan­d und Frankreich sich schon jetzt bereit erklärt, ihre Beiträge zu erhöhen. Nicht etwa um mutwillig Steuergeld zu verprassen, sondern in der Annahme, dass diese am ehesten durch eine starke Union gelöst werden können.

Dem europäisch­en Integratio­nsprojekt steht bisher rund 1 Prozent der europäisch­en Wirtschaft­sleistung zur Verfügung. Wobei 94 Prozent des EU-Haushalts wieder an die Mitgliedss­taaten zurückflie­ßen, vor allem in die Bereiche Agrarund Regionalpo­litik. Österreich kostet die EUMitglied­schaft netto knapp 800 Millionen Euro pro Jahr, also rund 25 Cent pro Person und Tag. Das ist wahrlich nicht die Welt.

Günther Öttinger ist EU-Kommissar für Haushalt

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über die Reduktion der EU-Debatte auf die Frage der Nettozahle­r

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