Recycling für draußen: Vom Meer in die Berge
Fischernetze, Plastikflaschen, Milch oder Kaffeesatz als Rohstoff für die Outdoor- Ausrüstung: Die Bekleidungsindustrie macht sich mit Materialinnovationen „grüner“.
Seine Kunden zu Aktivität in unberührter Natur zu motivieren, aber die Ausrüstung dafür aus umweltzerstörender Produktion gewinnen: das hakt! Um diesen Widerspruch aufzulösen, hat sich die Outdoor-Ausrüstungsindustrie seit einigen Jahren einer intensiven Nachhaltigkeitsoffensive verschrieben. Kein Markenhersteller kommt mittlerweile mehr daran vorbei, seiner Ware oder zumindest Teilen der Kollektion einen „grünen Stempel“aufzudrücken.
Die Auswahl an Gütesiegeln und Öko-Zertifizierungen ist als Folge der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit entsprechend vielfältig. Von der Verarbeitung von biologischer Baum- und Schafwolle bis zu umweltfreundlichen Verrot- von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen bis zur lückenlosen Nachverfolgbarkeit von tierschonend gewonnenen Daunen, von regenerierbaren Energiequellen und Recycling-Kunststoffen bis zur Wasseraufbereitung: Die Palette ist umfassend und hat – unter dem wachsenden Druck von Konsumenten und nach Kritik von Umweltschutzorganisationen – den Ehrgeiz der Produzenten befeuert.
„Nachhaltigkeit ist ein Schlüsselfaktor unserer Produktion, wir arbeiten intensiv daran, unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren“, bestätigt Eva Mullins, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Haglöfs. Bis 2020 will die skandinavische Marke ihre gesamte Bekleidungskollektion nach bluesign, einem der strengsten Nachhaltigkeitssie- innerhalb der Textilindustrie, zertifiziert haben. Ein Trend, der in der gesamten Branche floriert. So kommen Chemikalien wie PFC, die zwar Wasser und Schmutz von Outdoor-Kleidung abperlen lassen, aber in der Umwelt kaum bis gar nicht abgebaut werden und noch dazu im Verdacht sind, Schäden am Menschen zu verursachen, immer weniger zum Einsatz. Auch Produktionsprozesse werden optimiert. Statt Polyesterfasern erst zu spinnen, um sie nachträglich mit vielen Umweltrisiken zu färben, werden sie jetzt während des Spinnprozesses gefärbt. Dazu steht Re- und Upcycling und ReUsing, also das Wiederaufbereiten oder Wiederverwerten von Materialien, hoch im Kurs.
Als ein Ergebnis sind in der neuen „Green Shape Core Collection“des deutschen Bergtungstechniken, sportausrüsters Vaude zu 90 Prozent Recycling- oder reine Naturmaterialien verarbeitet: Rizinusöl statt fossile Materialien für die Produktion von Reißverschlüssen und Schnallen; für die Lebensmittel nicht mehr geeignete Milch wird im Verbund mit Wolle zu Filz, der in Schuhen und Rucksäcken verarbeitet wird; für das Fleece werden Holzfasern statt Mikroplastik verwendet.
Auf Kaffee (siehe rechts oben) setzt man dagegen beim Schweizer Unternehmen Schöller und dem Grazer Outdoor-Ausstatter Northland, wo Kaffeesatz verarbeitet wird. Die Kaffee-Bestandteile wirken geruchsabsorbierend. Das gleiche Ziel verfolgt die britische Kompressionsmodemarke 2XU – verwebt dafür aber das im Wasser und Erdboden vorkommende Silberchlogel
rid. „Seltener waschen, weniger Umweltbelastung“, so deren Öko-Rechnung. Naturschutzorganisationen wie der WWF attestieren der Branche allgemein Fortschritte. Kritisch beäugt bleiben Billiglohnländer. Northland-Chef Arno Pichler warnt aber vor einem voreiligen und unreflektierten Asien-Bashing: „Nur weil etwas nicht aus China kommt, ist es noch lange nicht qualitativ hochwertiger oder nachhaltiger.“Nicht nur die Produktionskosten und damit auch Löhne ziehen in Fernost nämlich an – in China würden Arbeiter in der Textilindustrie schon mehr verdienen als in Rumänien, sagt Pichler –, auch in Sachen Umweltschutz wird in Wasseraufbereitung, Wärmerückgewinnung und faire Arbeitsbedingungen investiert. Die Diskontfertigung wandert zunehmend aus Asien Richtung Afrika ab. Oder kommt
für das andere Ende der Preisskala nach Europa zurück.
Der Schweizer Branchenriese Mammut strebt beispielsweise das Zurück-zu-den-Wurzeln mittelfristig für höherwertige Produkte mit geringer Stückzahl an. Für die neue Skitourenbekleidung werden Garne statt Stoffbahnen gekauft. Material-, Farbund Wasserbedarf werden so drastisch gesenkt. „Wir müssen den Mut haben, neue Schritte zu setzen, und beim Umsetzen auch kleinere Frustrationen wegstecken“, sagt Markus Rindle, Innovationsmanager von Mammut.