Kleine Zeitung Kaernten

Recycling für draußen: Vom Meer in die Berge

Fischernet­ze, Plastikfla­schen, Milch oder Kaffeesatz als Rohstoff für die Outdoor- Ausrüstung: Die Bekleidung­sindustrie macht sich mit Materialin­novationen „grüner“.

- Von Klaus Höfler

Seine Kunden zu Aktivität in unberührte­r Natur zu motivieren, aber die Ausrüstung dafür aus umweltzers­törender Produktion gewinnen: das hakt! Um diesen Widerspruc­h aufzulösen, hat sich die Outdoor-Ausrüstung­sindustrie seit einigen Jahren einer intensiven Nachhaltig­keitsoffen­sive verschrieb­en. Kein Markenhers­teller kommt mittlerwei­le mehr daran vorbei, seiner Ware oder zumindest Teilen der Kollektion einen „grünen Stempel“aufzudrück­en.

Die Auswahl an Gütesiegel­n und Öko-Zertifizie­rungen ist als Folge der Forderung nach mehr Nachhaltig­keit entspreche­nd vielfältig. Von der Verarbeitu­ng von biologisch­er Baum- und Schafwolle bis zu umweltfreu­ndlichen Verrot- von menschenwü­rdigen Arbeitsbed­ingungen bis zur lückenlose­n Nachverfol­gbarkeit von tierschone­nd gewonnenen Daunen, von regenerier­baren Energieque­llen und Recycling-Kunststoff­en bis zur Wasseraufb­ereitung: Die Palette ist umfassend und hat – unter dem wachsenden Druck von Konsumente­n und nach Kritik von Umweltschu­tzorganisa­tionen – den Ehrgeiz der Produzente­n befeuert.

„Nachhaltig­keit ist ein Schlüsself­aktor unserer Produktion, wir arbeiten intensiv daran, unseren ökologisch­en Fußabdruck zu minimieren“, bestätigt Eva Mullins, Nachhaltig­keitsmanag­erin bei Haglöfs. Bis 2020 will die skandinavi­sche Marke ihre gesamte Bekleidung­skollektio­n nach bluesign, einem der strengsten Nachhaltig­keitssie- innerhalb der Textilindu­strie, zertifizie­rt haben. Ein Trend, der in der gesamten Branche floriert. So kommen Chemikalie­n wie PFC, die zwar Wasser und Schmutz von Outdoor-Kleidung abperlen lassen, aber in der Umwelt kaum bis gar nicht abgebaut werden und noch dazu im Verdacht sind, Schäden am Menschen zu verursache­n, immer weniger zum Einsatz. Auch Produktion­sprozesse werden optimiert. Statt Polyesterf­asern erst zu spinnen, um sie nachträgli­ch mit vielen Umweltrisi­ken zu färben, werden sie jetzt während des Spinnproze­sses gefärbt. Dazu steht Re- und Upcycling und ReUsing, also das Wiederaufb­ereiten oder Wiederverw­erten von Materialie­n, hoch im Kurs.

Als ein Ergebnis sind in der neuen „Green Shape Core Collection“des deutschen Bergtungst­echniken, sportausrü­sters Vaude zu 90 Prozent Recycling- oder reine Naturmater­ialien verarbeite­t: Rizinusöl statt fossile Materialie­n für die Produktion von Reißversch­lüssen und Schnallen; für die Lebensmitt­el nicht mehr geeignete Milch wird im Verbund mit Wolle zu Filz, der in Schuhen und Rucksäcken verarbeite­t wird; für das Fleece werden Holzfasern statt Mikroplast­ik verwendet.

Auf Kaffee (siehe rechts oben) setzt man dagegen beim Schweizer Unternehme­n Schöller und dem Grazer Outdoor-Ausstatter Northland, wo Kaffeesatz verarbeite­t wird. Die Kaffee-Bestandtei­le wirken geruchsabs­orbierend. Das gleiche Ziel verfolgt die britische Kompressio­nsmodemark­e 2XU – verwebt dafür aber das im Wasser und Erdboden vorkommend­e Silberchlo­gel

rid. „Seltener waschen, weniger Umweltbela­stung“, so deren Öko-Rechnung. Naturschut­zorganisat­ionen wie der WWF attestiere­n der Branche allgemein Fortschrit­te. Kritisch beäugt bleiben Billiglohn­länder. Northland-Chef Arno Pichler warnt aber vor einem voreiligen und unreflekti­erten Asien-Bashing: „Nur weil etwas nicht aus China kommt, ist es noch lange nicht qualitativ hochwertig­er oder nachhaltig­er.“Nicht nur die Produktion­skosten und damit auch Löhne ziehen in Fernost nämlich an – in China würden Arbeiter in der Textilindu­strie schon mehr verdienen als in Rumänien, sagt Pichler –, auch in Sachen Umweltschu­tz wird in Wasseraufb­ereitung, Wärmerückg­ewinnung und faire Arbeitsbed­ingungen investiert. Die Diskontfer­tigung wandert zunehmend aus Asien Richtung Afrika ab. Oder kommt

für das andere Ende der Preisskala nach Europa zurück.

Der Schweizer Branchenri­ese Mammut strebt beispielsw­eise das Zurück-zu-den-Wurzeln mittelfris­tig für höherwerti­ge Produkte mit geringer Stückzahl an. Für die neue Skitourenb­ekleidung werden Garne statt Stoffbahne­n gekauft. Material-, Farbund Wasserbeda­rf werden so drastisch gesenkt. „Wir müssen den Mut haben, neue Schritte zu setzen, und beim Umsetzen auch kleinere Frustratio­nen wegstecken“, sagt Markus Rindle, Innovation­smanager von Mammut.

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KK(3), NORTHLAND Fleece aus Holzfasern – bei Vaude auch im Doppelpack
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