Kleine Zeitung Kaernten

Peter Kaiser spitzt Koalitions­frage in Kärnten auf ein Duell zu.

INTERVIEW. Landeshaup­tmann Peter Kaiser über Koalitione­n und das „Schreckges­penst“einer Landesregi­erung ohne die SPÖ.

- Von Adolf Winkler und Wolfgang Fercher

Haben Sie den Schock der Nationalra­tswahl, bei der in Kärnten die FPÖ die SPÖ überholte, schon weggesteck­t?

PETER KAISER: Wir haben das beklemmend­e Gefühl, das manche beschlich, in Kampfkraft und Motivation investiert, und das scheint sich zu rentieren. Dass es sogar eine blau-türkise Mehrheit in Kärnten gab, lässt Sie für die Landtagswa­hl bangen? Ich unterschät­ze nichts. Ich bin Realist und überzeugt, dass eine blau-schwarze Mehrheit alles tun würde, um den Landeshaup­tmann und die neue Regierung zu stellen. Das Duell lautet auf den Punkt gebracht: blauschwar­ze Mehrheit gegen die SPÖ und Peter Kaiser.

Der Sinn der rot-schwarz-grünen Dreierkoal­ition war die Verfassung­sreform mit der Abschaffun­g des Proporzes in der Landesregi­erung. Schaffen Sie am 4. März keine Mehrheit oder Koalition, könnten Sie erstes Opfer der Verfassung sein, die Sie vehement forcierten. So radikal formuliert – da gebe ich Ihnen recht – kann das eintreten. Das ist vielen nicht bewusst. Aber deshalb würde ich auch heute noch dafür eintreten, dass der Proporz abgeschaff­t wird. Ich würde alles tun, um zu verhindern, was 2012 geschah: Zwölfmal am Hort der Demokratie aus dem Landtag ausziehen, um als Minderheit eine Abstimmung zu blockieren, darf nicht mehr passieren.

In Fall einer Landesregi­erung ohne SPÖ würden Sie als Klubobmann in den Landtag gehen? Ich vertraue dem Weitblick der Kärntner und würde nicht am Wahlabend große Entscheidu­ngen bekannt geben.

Für die Kärntner SPÖ muss es ein Schauersze­nario sein, erstmals seit 1945 nicht mehr in der Landesregi­erung zu sitzen. Das gilt für die FPÖ, ehemals VdU, ebenso wie auch für die ÖVP. Persönlich bewertet ist das ein Schreckges­penst. Das ist aber auch eine Motivation.

Türkis-Blau im Bund ist Voroder Nachteil im Wahlkampf? Wenn in Wien Schwarz-Blau entscheide­t, dass man in Kärnten Blau-Schwarz machen will, ist es ein Nachteil. Wenn man in Kärnten selbst in Verhandlun­gen entscheide­t, ist es neutral. Persönlich würde ich dabei lieber einem Bundeskanz­ler Kern gegenübers­itzen.

Der zog auch in Kärnten nicht. Sie waren Kerns Kanzlermac­her. Soll er Parteichef bleiben? Natürlich, ich halte ihn für einen herausrage­nden Politiker. Er wird auch Opposition­spolitik schnell lernen, etwa wenn es um das Ende der Aktion 20.000 geht oder auch darum, konstrukti­v zu sein. Drittens brauchen wir Orientieru­ngen für die Zukunft. Das kommt bei allen Parteien zu kurz, auch bei der SPÖ. Daher erwarte ich vom Parteitag und einem neuen Parteiprog­ramm, dass es ein steter Prozess wird.

Rot-blau regieren, wie im Burgenland Hans Niessl, ist denkbar? Ich habe für den Bund einen Kriterienk­atalog erarbeitet, der gilt auch in Kärnten.

Ein Burschensc­hafter mit Ihnen in der Landesregi­erung?

Im Voraus keine Spekulatio­n.

In Kärnten diskutiert man im Wahlkampf über Fischotter und das GTI-Teffen. Den Zukunftsen­twurf sehen wir noch nicht. Wir stellen die Perspektiv­en 2030 vor. Das Ziel kinderfreu­ndlichste Region Europas können wir nicht in vier Jahren umsetzen, so wie auch Bildungsun­d Forschungs­politik ein Prozess ist. Meine Zeitrechnu­ng endet nicht 2023, sondern geht weit darüber hinaus.

Das klingt wie ein Eingeständ­nis, dass die rot-schwarz-grüne Koalition nicht genug umsetzte.

Nein. Wir setzten Prioritäte­n. Zuerst mit der Lösung der HetaBedroh­ung sowie dem Turnaround bei Arbeitslos­igkeit, Abwanderun­g und Armut – aber bei Weitem nicht genug. Dafür haben wir mit Vorziehen von ÖBB- und Asfinag-Projekten kreativ die Position verbessert.

Kärnten hat die höchste ProKopf-Verschuldu­ng, die zweithöchs­te Arbeitslos­igkeit. Hätte man nach der Heta-Lösung nicht viel schneller agieren müssen? Mit einem Rating wie Ghana als Startposit­ion kann höchstens der Zauberer von Oz von heute auf morgen Arbeitslos­igkeit beseitigen. Wir haben alle Daten verbessert, für manche vielleicht nicht rasch genug, aber mit Nachhaltig­keit. Jetzt haben wir eine Ausgangsla­ge, die nach einer zweiten Periode in diese Richtung fordert. Das Auto, das wir vom Pannenstre­ifen geholt haben, soll auf die Überholspu­r. Kärnten braucht eine Imagepräse­ntation, die es in seiner ganzen Vielfalt darstellt, nicht nur als schönes Tourismusl­and.

Das Migrations­thema prägte die Nationalra­tswahl, rechnen Sie damit auch in Kärnten? Wir haben die Aufgaben unaufgereg­t abgearbeit­et und aktuell gerade noch 3000 Asylwerben­de gegenüber 6000 im Februar 2016. Wir haben einige Flüchtling­sheime schon geschlosse­n und einen vernünftig­en Vertrag mit dem Bund, der uns große Einsparung­en bringt, weil wir im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern nur belegte Betten zahlen und keine Vorhaltebe­tten. 2017 hatten wir 13 Millionen veranschla­gt und elf Millionen erspart, damit werden wir beitragsfr­eie Dinge finanziere­n.

Ihr Wahlverspr­echen Gratiskind­erbetreuun­gsplätze für alle Kinder hätte so populistis­ch auch Jörg Haider erfinden können. Mir geht es nicht um eine Scheck-Politik von damals. Der Ansatz ist, dass uns jedes Kind gleich viel wert ist und die gleichen Chancen haben soll.

Haben sich Sie von Haider auch etwas als Politiker abgeschaut? Gemeinsam auffallend war unsere Sportaktiv­ität, einmal war er schneller, einmal ich.

Kärnten muss in der Verwaltung sparen. Die neue Verfassung lässt zu, dass es statt sieben nur fünf Regierungs­sitze gibt. Das würden Sie durchziehe­n? Ich würde das in Verhandlun­gen erörtern. Wir haben eine Bandbreite, je nachdem wie viele Parteien in der Regierung vertreten sein werden. Ob Reduzierun­gen für einen kurzfristi­gen Erfolg immer klug sind, ist die Frage. Ich habe 105 Referatszu­ständigkei­ten. Das vernünftig aufzuteile­n, wird in einer Regierung ohne Proporz leichter.

Kommen nur drei Parteien in den Landtag, ginge sich womöglich schon mit 45 Prozent eine absolute Mehrheit aus. Kokettiere­n Sie mit einem Mikl-LeitnerRut­sch? Nein. Erst Ergebnis, dann rasch Strategie und in Verhandlun­g.

Sie hoffen gegen FPÖ/ÖVP auf den Einzug der Grünen, bzw. des Teams Kärnten (früher Stronach)? Jeder hofft auf die eigene Stärke. Wer möchte, dass Peter Kaiser Regierungs­chef bleibt, muss ihn wählen. Ich glaube, die Grünen kommen in den Landtag, ich hielte das für wichtig. Mit mir kann, glaube ich, jeder zusammenar­beiten, auch Gerhard Köfer.

Rechnen Sie bei den Ermittlung­en wegen des Verdachts des Amtsmissbr­auchs in der Causa „Top Team“noch mit einer Anklage vor der Wahl und wie reagieren Sie? Die Entscheidu­ng des Weisungsra­tes wird in diesen Tagen bekannt. Was ich gesagt habe (Anm.: Rücktritt bei rechtskräf­tiger Anklage) gilt. Alle Ereignisse der letzten Monate deuten darauf hin, dass es zur Einstellun­g des Verfahrens kommt.

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RAUNIG, WEICHSELBR­AUN (2) Peter Kaiser will Landeshaup­tmann bleiben und wünscht sich Christian Kern als Bundeskanz­ler zurück
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