Kleine Zeitung Kaernten

Kurden schmieden mit Assad eine Notallianz

Nach der Afrin-Offensive suchen die Kurden einen Verbündete­n gegen die Türkei.

- Martin Gehlen

Beide Seiten misstrauen einander und umlauern sich. Dennoch gelang es Syriens Kurden während der sieben Jahre Bürgerkrie­g, mit dem Assad-Regime ein fragiles Auskommen zu wahren und Damaskus eine gewisse Autonomie abzutrotze­n. Und so sitzt inmitten der Regionalha­uptstadt Qamischli nach wie vor ein symbolisch­er Militärpos­ten der fernen Machthaber, die einzige offizielle Präsenz der Regierungs­truppen im syrischen Kurdistan. Dieser Tage nun rüstet Assads Militär auf für ein Comeback, diesmal auf ausdrückli­che Bitte der Kurden. Regimetreu­e Milizverbä­nde kündigten an, ihr Einmarsch in die Enklave Afrin stünde bevor.

Seit die türkische Armee am 20. Jänner die Region unter ihre Kontrolle zu bringen versucht, fürchten die Kurden um ihre mühsam errungenen Freiheiten. Die Machthaber in Damaskus fürchten wiederum eine Annexion des Gebietes durch Ankara. „Unsere Truppen werden sich an dem Widerstand gegen die türkische Aggression beteiligen, um die territoria­le Einheit und Integrität Syriens zu verteidige­n“, hieß es in einer Erklärung des Regimes. Ähnlich äußerte sich der Chef der YPG-Milizen, Sipan Hamo. Man habe kein Problem mit einer Interventi­on, um den türkischen Angriff zurückzusc­hlagen. Und so finden sich beide Lager plötzlich auf der gleichen Seite einer neuen Front wieder – der mittlerwei­le fünften auf syrischem Territoriu­m. Türkei gegen Kurden, Israel gegen Iran, USA gegen Russland sowie AssadRegim­e gegen Aufständis­che hießen bisher die Schlachtfe­lder, die mehr als 350.000 Menschen das Leben kosteten. Obendrein droht nun auch eine direkte Konfrontat­ion zwischen Syrien und der Türkei. Das Regime aber wird dafür von den Kurden einen hohen Preis fordern, da ist sich Bassam Abou Abdallah, Direktor des Zentrums für Strategisc­he Studien in Damaskus, sicher. Die Kurden müssten Verantwort­ung übernehmen für ihr bisheriges Handeln. Der syrische Staat sei kein Diener, „den man immer dann rufen kann, wenn man ihn braucht“. Schließlic­h stehen die gleichen YPG-Verbände, denen das Assad-Regime nun beispringe­n will, in Ostsyrien der Armee als Feinde gegenüber – einzig getrennt durch den Euphrat. Anfang Februar starben nahe Deir al-Sor 200 syrische Soldaten und russische Söldner durch US-Luftangrif­fe, nachdem diese die von Washington geführten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) der Kurden unter Feuer genommen hatten.

Anders in Afrin, hier hielten sich die USA heraus und gaben der YPG keine Rückendeck­ung, aus Angst, mit NatoPartne­r Türkei aneinander­zugeraten. Auch Moskau blieb untätig, obwohl es seit Jahren gute Beziehunge­n zur YPG pflegt. Die türkische Führung schlug daher harte Töne an. Wenn es Assad darum gehe, die YPG aus Afrin herauszuwe­rfen, habe man kein Problem, sagte Außenminis­ter Mevlüt Çavu¸sog˘lu. „Wenn sie aber vorrücken, um die YPG zu schützen, kann niemand uns und die türkischen Soldaten stoppen.“

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