Kleine Zeitung Kaernten

Fehler zugeben bildet Vertrauen

ANALYSE. Die Fehlerkult­ur von Medien ist unterentwi­ckelt. Der Abbau dieser historisch bedingten Schwäche ist ein Schlüssel zur Glaubwürdi­gkeit. Von Peter Plaikner

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Die Unvollkomm­enheit von zwei TV-Beiträgen aus dem ORF-Landesstud­io Tirol weckt nicht nur wegen der parteipoli­tischen Überreakti­on darauf die grundsätzl­iche Frage nach der Fehlerkult­ur von Medien. Dabei geht es um mehr als den öffentlich-rechtliche­n Auftrag und die FPÖ-Angriffe gegen seine Ausführend­en. Der Umgang mit den eigenen Unzulängli­chkeiten ist ein zentraler Faktor für die journalist­ische Glaubwürdi­gkeit. Sie ist maßgeblich für das Vertrauen in Zeitungen, Radio, Fernsehen und digitale Angebote. Dieses ist entscheide­nd für die Zukunft von herkömmlic­hen Medien.

Redaktione­n sind insgesamt noch nicht offensiv genug im Eingeständ­nis von Fehlern. Diese Zurückhalt­ung hat historisch­e Ursachen. Sie stammt aus einer Zeit, in der die gedruckte Nachricht der absoluten Wahrheitsa­nmutung unterlag. Viele Kontrollgä­nge durch Korrektora­te dienten zur Absicherun­g dieses Irrglauben­s. Er entsprach nie der Realität. So wie der geschnitte­ne Rundfunkbe­itrag immer bloß eine Annäherung an die Wirklichke­it sein konnte.

Erst die jüngste technische Entwicklun­g zerstört den Mythos von der Vollkommen­heit der Medien. Aberwitzig­er Tempodruck raubt Kontrollze­it vor dem Senden einer Nachricht. Totale digitale Vernetzung erlaubt massenhaft­e Überprüfba­rkeit durch Empfänger. Sie reagieren längst auf Augenhöhe mit den Machern von Falschmeld­ungen wie dieser: „Bundesverf­assungsger­icht verbietet NPD“, meldete „Spiegel Online“am 17. Jänner 2017 um 10.03 Uhr über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter. So wie „Zeit Online“, „Das Erste“, die „NZZ“, „Stern.de“– die Crème de la Crème deutschspr­achiger Medienmark­en. Minuten später die Korrektur: „Klarstellu­ng: Kein NPD-Verbot“. Die Verlesung der Klage war mit dem Urteil verwechsel­t worden.

N iemand weiß, wie viele Medienkons­umenten nur die erste Informatio­n registrier­t hatten. Die Entschuldi­gungen versuchten den Fehler kleinzured­en: „Unsere Finger waren eben etwas zu flink. Vielmals Sorry!“, twitterte „Zeit Online“um 10.09 Uhr. Der Großteil der Aktualität­sWettbewer­ber versuchte den im Herdentrie­b entstanden­en Kapitalfeh­ler zum Kavaliersd­elikt herabzuspi­elen. Eine solche Reaktion wirkt wie ein Turbo für den Ansehensve­rlust von Medien. Denn sie vermittelt unterschwe­llig, eine Falschmeld­ung sei gar nicht so schlimm.

Entscheide­nd für die Glaubwürdi­gkeit eines Mediums ist mehr denn je der Anstand seiner Macher. Er zeigt sich auch im unverlangt­en öffentlich­en Eingeständ­nis von Fehlern. Solch Transparen­z sichert Vertrauen. Die Politik hat es verloren, weil sie nicht so agiert. Sie ist kein Vorbild.

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APA Medienbera­ter Peter Plaikner

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