Die Kunst der Symbiose
Die Politik muss noch Überzeugungsarbeit leisten, dass das umfassende Überwachungspaket mehr Sicherheit garantiert – und kein Vorwand für staatliches Schnüffeln ist.
Vor zehn Jahren hielt ein Mega-Attentat im Mumbai die Welt in Atem. Eine Handvoll Terroristen verübte an zehn neuralgischen Punkten der indischen Metropole Anschläge und nahm in Hotels Dutzende Touristen als Geiseln. Erst nach drei Tagen konnten die Sicherheitsbehörden die Attentäter ausschalten, mehr als 170 Personen verloren ihr Leben, 240 wurden verletzt. Was Mumbai mit dem türkis-blauen Sicherheitspaket zu tun hat?
Im Zuge der Ermittlungen führten die Spuren nach Wien. So hatten sich zum einen einige Terroristen österreichischer Prepaid-Karten bedient, um ihre Anschläge telefonisch zu koordinieren, zum anderen lief die Kommunikation über einen in Wien stationierten Server ab. Warum sich die Terroristen für die Wien-Connection entschieden haben? Österreich ist eines der ganz wenigen Länder der Welt, wo man anonym, ohne sich ausweisen zu müssen, eine Handy-Karte kaufen kann.
Spätestens seit Mumbai fordern Experten auf EU-Ebene eine Registrierung beim Kauf von Wertkarten. Jetzt ist es endlich so weit.
Sicherheitspolitische Debatten bewegen sich in jeder offenen, liberalen Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen den verständlichen Aversionen des mündigen Bürgers vor einer Bevormundung durch den Staat und dem Wunsch der Sicherheitsbehörden nach umfassenden Kompetenzen. Dass beide Anliegen durchaus eine Symbiose eingehen können, liegt auf der Hand: Ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit lässt sich nur in einem sicheren Umfeld führen. Ohne Sicherheit keine Freiheit.
Vor diesem Hintergrund hat der neue Innenminister Herbert Kickl beim gestrigen Pressefoyer mit einer Bemerkung überrascht. Vor ein paar Monaten hatte der freiheitliche Spitzenpolitiker in der Debatte über eben dieses Paket noch den Vergleich mit der Stasi und der DDR bemüht. „Ich glaube, es ist nicht verboten, gescheiter zu werden“, räumte Kickl offen ein. Bekanntlich bestimmt der Standort den Standpunkt, als Innenminister redet es sich anders als als Oppositionspolitiker. Interessant ist, dass der mit allen Wassern gewaschene Kickl mit derselben Verve eine Lanze für das Sicherheitspaket bricht, mit der er vor ein paar Monaten das Paket in Grund und Boden gestampft hat.
Bei der Präsentation des Pakets beteuerten Innen- wie auch Justizminister einmütig, dass die meisten Vorhaben nur anlassbezogen, also bei Vorlage eines konkreten Verdachts, unter Einbindung von Rechtsschutzbeauftragten oder auf Basis einer richterlichen Anordnung umgesetzt werden können. Im Zuge der parlamentarischen Behandlung wird sich zeigen, ob die geplante Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten auf WhatsApp, Skype, Messenger, Autokennzeichen, Videoaufnahmen tatsächlich für mehr Sicherheit sorgt oder ob sie nur ein Vorwand für staatliches Schnüffeln ist. a, ohne Sicherheit keine Freiheit, aber bitte nicht mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit.
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