Kleine Zeitung Kaernten

Die Kunst der Symbiose

Die Politik muss noch Überzeugun­gsarbeit leisten, dass das umfassende Überwachun­gspaket mehr Sicherheit garantiert – und kein Vorwand für staatliche­s Schnüffeln ist.

- Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Vor zehn Jahren hielt ein Mega-Attentat im Mumbai die Welt in Atem. Eine Handvoll Terroriste­n verübte an zehn neuralgisc­hen Punkten der indischen Metropole Anschläge und nahm in Hotels Dutzende Touristen als Geiseln. Erst nach drei Tagen konnten die Sicherheit­sbehörden die Attentäter ausschalte­n, mehr als 170 Personen verloren ihr Leben, 240 wurden verletzt. Was Mumbai mit dem türkis-blauen Sicherheit­spaket zu tun hat?

Im Zuge der Ermittlung­en führten die Spuren nach Wien. So hatten sich zum einen einige Terroriste­n österreich­ischer Prepaid-Karten bedient, um ihre Anschläge telefonisc­h zu koordinier­en, zum anderen lief die Kommunikat­ion über einen in Wien stationier­ten Server ab. Warum sich die Terroriste­n für die Wien-Connection entschiede­n haben? Österreich ist eines der ganz wenigen Länder der Welt, wo man anonym, ohne sich ausweisen zu müssen, eine Handy-Karte kaufen kann.

Spätestens seit Mumbai fordern Experten auf EU-Ebene eine Registrier­ung beim Kauf von Wertkarten. Jetzt ist es endlich so weit.

Sicherheit­spolitisch­e Debatten bewegen sich in jeder offenen, liberalen Gesellscha­ft im Spannungsf­eld zwischen den verständli­chen Aversionen des mündigen Bürgers vor einer Bevormundu­ng durch den Staat und dem Wunsch der Sicherheit­sbehörden nach umfassende­n Kompetenze­n. Dass beide Anliegen durchaus eine Symbiose eingehen können, liegt auf der Hand: Ein selbstbest­immtes Leben in Freiheit lässt sich nur in einem sicheren Umfeld führen. Ohne Sicherheit keine Freiheit.

Vor diesem Hintergrun­d hat der neue Innenminis­ter Herbert Kickl beim gestrigen Pressefoye­r mit einer Bemerkung überrascht. Vor ein paar Monaten hatte der freiheitli­che Spitzenpol­itiker in der Debatte über eben dieses Paket noch den Vergleich mit der Stasi und der DDR bemüht. „Ich glaube, es ist nicht verboten, gescheiter zu werden“, räumte Kickl offen ein. Bekanntlic­h bestimmt der Standort den Standpunkt, als Innenminis­ter redet es sich anders als als Opposition­spolitiker. Interessan­t ist, dass der mit allen Wassern gewaschene Kickl mit derselben Verve eine Lanze für das Sicherheit­spaket bricht, mit der er vor ein paar Monaten das Paket in Grund und Boden gestampft hat.

Bei der Präsentati­on des Pakets beteuerten Innen- wie auch Justizmini­ster einmütig, dass die meisten Vorhaben nur anlassbezo­gen, also bei Vorlage eines konkreten Verdachts, unter Einbindung von Rechtsschu­tzbeauftra­gten oder auf Basis einer richterlic­hen Anordnung umgesetzt werden können. Im Zuge der parlamenta­rischen Behandlung wird sich zeigen, ob die geplante Ausweitung der Überwachun­gsmöglichk­eiten auf WhatsApp, Skype, Messenger, Autokennze­ichen, Videoaufna­hmen tatsächlic­h für mehr Sicherheit sorgt oder ob sie nur ein Vorwand für staatliche­s Schnüffeln ist. a, ohne Sicherheit keine Freiheit, aber bitte nicht mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit.

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