Song Contest: Das Rennen ist eröffnet
Wie viel Politik darf in einem Song-ContestLied stecken? Die Hälfte der Beiträge für Lissabon steht mittlerweile fest: eine vorläufige Bilanz. Und woran glaubt Österreichs Cesár?
In den Wettbüros kann schon auf den Sieger des 63. Wettsingens gesetzt werden, obwohl viele Beiträge noch gar nicht präsentiert wurden bzw. wie in Schweden der mehrwöchige nationale Vorentscheid am Laufen ist. Dennoch wird Schweden derzeit von den Buchmachern auf Platz drei gehandelt – das ABBA-Land hat nach den vielen Erfolgen der letzten Jahre eben ein Gewinner-Image.
Österreich liegt in der Kombination von zwei Dutzend Wettanbietern auf Rang 24 von 43 Teilnehmern – obwohl „Nobody But You“, der Titel von Cesár, erst am 9. März seine Radiopremiere erleben wird. „Natürlich fühle ich mich derzeit ein bisschen wie in einer Warteschleife“, gesteht der in Wien lebende gebürtige Linzer, „aber ich weiß ja, dass wir etwas Geiles am 9. März vorspielen werden.“In seinem Song, bei dem „die Energie kontinuierlich
transportiert wird“, so Cesár, geht es „um die Liebe zu etwas Größerem und Höherem“. Also kein typisches Liebeslied, sondern ein durchaus spirituell gemeinter Beitrag. Er rechnet fest mit dem Aufstieg ins Finale.
Von der Qualität waren jedenfalls auch die britische BBC und das Schweizer Fernsehen überzeugt: Beiden hatte das Team hinter Cesár (das Produzentenkollektiv Symphonics International) „Nobody But You“ebenfalls angeboten – und in beiden Ländern wurde dem Titel ein fixer Platz in der Vorentscheidungsshow zugesichert, falls sich der ORF nicht für Cesár entscheidet. Was er noch im November 2017 tat.
Wie sieht es aber mit der Konkurrenz aus? Beim italienischen Männer-Duett „Non mi avete fatto niente“von Ermal Meta und Fabrizio Moro, wurde wieder einmal die Diskussion laut, wie viel Politik denn in einem ESC-Beitrag stecken darf. Laut Statuten sind Texte, Ansprachen und Gesten politischer Natur untersagt. Dies gilt sowohl für die Texte als auch die Bühnenshow und Requisiten, die den Wettbewerb in Misskredit bringen könnten.
Doch Italiens Duo muss keineswegs befürchten, dass es wie die Georgier 2009 disqualifiziert wird. Deren Refrain hieß damals „We Don’t Wanna Put In“, was gesungen klang wie „Wir wollen Putin nicht“, also als unverhohlener Affront gegenüber Wladimir Putin gewertet werden konnte.
Selbst Jamala durfte 2015 mit „1944“für die Ukraine antreten (und gewinnen) – mit dem besungenen
Schicksal ihrer Urgroßeltern, die unter Stalin 1944 von der Krim deportiert wurden. Und Jamala betonte auch noch: „Ich singe für die ganze Ukraine, für die Krim!“
Die Italiener treten nun mit einem rockigen Lied gegen den Terror an: „Es gibt die, die sich bekreuzigen, die auf ihren Teppichen beten. Die Kirchen und Moscheen, die Imame und alle Priester“, heißt es im Text, sowie: „Wolkenkratzer und die Metro stürzen ein. Aber gegen allen Terror, der den Weg behindert, erhebt sich die Welt wieder mit einem Kinderlachen!“
Als (musikalisch jedoch ganz anders gefärbte) Hoffnungsnummer darf auch „Mercy“des französischen Duos Madame Monsieur gesehen werden, wo die Geburt des gleichnamigen Flüchtlingskinds auf einem Boot im Mittelmeer erzählt wird. Der Grande Nation dürfte diesmal ein Platz unter den ersten zehn sicher sein.
Und natürlich gibt es wieder eine Handvoll weichgespülter Liebeslieder (etwa aus Spanien), Ethnoklänge (wie aus Serbien) und zwei sehr eigenwillige Frauen-Typen, die auffallen werden: Netta Barzilai gewann in Israel die mehrere Etappen umfassende Vorentscheidung. Und Finnland schickt Saara Aalto nach Lissabon, die über eine unglaubliche Stimme verfügt und durch exaltierte Auftritte in diversen Castingshows populär wurde. Das Rennen ist also eröffnet!