Urteil bremst den Diesel aus
Schock für Millionen Diesel-Fahrer: Deutsches Bundesgericht hat den Weg für Fahrverbote geebnet. Was bedeutet dieses Urteil für Österreich?
Millionen deutsche Diesel-Fahrer zittern vor diesem Urteil“– der gestrige Gerichtstermin in Leipzig wurde seit Tagen mit emotionalen Schlagzeilen einbegleitet. Nicht zu Unrecht. Denn das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat nun tatsächlich den Weg für Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten geebnet. Konkret wiesen die Richter die Revision der Länder BadenWürttemberg und NordrheinWestfalen gegen die von örtlichen Verwaltungsgerichten geforderten Fahrverbote in Stuttgart und Düsseldorf zurück. Fahrverbote sind demnach als letztes Mittel zulässig, um die Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid (NOx – siehe Lexikon) einzuhalten. Sie müssten aber verhältnismäßig sein und nicht auf einen Schlag eingeführt werden, so der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher (siehe rechts).
Was das Urteil im Detail bedeutet, werden wohl erst die nächsten Wochen zeigen, doch eines ist klar: Fahrverbote, gegen die sich die Autoindustrie, aber auch die deutsche Bundesoxid-Werte lange gewehrt haben, sind kein Tabu mehr. Und die Auswirkungen könnten gravierend sein, denn die Fahrverbote könnten nach einer entsprechenden Änderung von Luftreinhalteplänen deutschlandweit für mehr als zehn Millionen Diesel-Pkw gelten, die noch nicht die neueste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Schon jetzt ist ein Streit darüber entbrannt, wer die Kosten für Wertminde- älterer Diesel-Modelle übernimmt.
Das deutsche Gericht hatte im Rechtsstreit der Länder mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zu entscheiden. Aber auch rund 20 weitere Städte mit zu hoher Stickoxid-Belastung hat die DUH auf eine Verschärfung der Luftreinhaltepläne geklagt. Brüssel hat die bisherigen Anstrengungen Deutschlands zur Verminderung der Stickregierung wiederholt als unzureichend bezeichnet und droht mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Eine solche könnte auch Österreich drohen, das ebenfalls mit einem EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Stickoxid-Werte konfrontiert ist. Wenngleich die Verfehlungen hierzulande nicht so groß sind wie beim Nachbarn. Währungen
rend deutsche Städte den europaweit gültigen Grenzwert von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresschnitt teils um mehr als drei Viertel überschreiten, liegen Wien, Graz und Klagenfurt nur knapp oberhalb des Werts. „Da wird zu diskutieren sein, ob es nicht auch andere Möglichkeiten als Verbote gibt, um die Vorgaben zu erreichen“, sagt Jürgen Schneider vom Umweltbundes- amt. Auch Verkehrsminister Norbert Hofer winkt bei Verboten ab. „Wir sehen das skeptisch, außerdem wären da die Kommunen gefordert“, heißt es aus dem Ministerium.
Dass die Stickoxidbelastung dem Verkehr und hier vor allem den Dieselmotoren anzulasten ist, steht jedenfalls (anders als beim Feinstaub) außer Frage. „Die Messungen zeigen das klar: Die höchsten Belastungen gibt es in Städten und an Autobahnen“, sagt Schneider. Die Fahrzeugindustrie hatte die Stickoxide jahrelang sträflich vernachlässigt. Modernere Euro5-Motoren weisen teils schlechtere Werte auf als zwölf Jahre alte Euro-2Modelle. Erst mit der neuesten Euro-6-Generation scheint das Problem angepackt zu werden. „Die neuesten Autos halten erstmals die vorgegebenen Grenzwerte beim NOx ein“, sagt Schneider.