Kleine Zeitung Kaernten

Was dürfen ehemalige Politiker? Debatte um Lobbyarbei­t erhält durch Fall Gusenbauer wieder Brisanz.

Immer wieder nutzen einstige Kanzler und Minister ihre Kontakte für Beratertät­igkeiten. Oft für zweifelhaf­te Auftraggeb­er.

- Von Nina Koren und Manuela Swoboda

Sie kennen alle, die Macht und Namen haben. Über Jahre hatten sie Zugang zu Hintergrun­d- und Spezialwis­sen, das nicht jedem zugänglich ist. Sie haben Entscheidu­ngen getroffen, die oft noch über Jahre nachwirken. Spitzenpol­itiker, die aus dem Amt ausscheide­n, verfügen über Insider-Informatio­nen und ein Netzwerk, das Gold wert ist, im wahrsten Sinn. Das Beispiel Alfred Gusenbauer, der im Verdacht steht, im Auftrag von Trumps Wahlkampf-Manager Paul Manafort verdeckte Lobbyarbei­t für den gestürzten pro-russischen Präsidente­n Viktor Janukowits­ch betrieben zu haben, wirft ein auf die Lobbyarbei­t ehemaliger Politiker, die weit über den Fall des österreich­ischen Kanzlers hinausreic­ht. Aber wann ist ein Angebot unmoralisc­h?

Gusenbauer dementiert, Aufträge und Geld von Manafort bekommen zu haben, bestreitet aber nicht, für die Ukraine tätig gewesen zu sein – um diese näher an Europa heranzufüh­ren. Die „New York Times“spricht von mindestens zwei Millionen Dollar für diesen Deal, was nicht bestätigt ist.

Lobby-Arbeit: Das ist im positiven Sinne Netzwerken. Weniger schön ist Lobbying als Nepotismus verschrien. Das ist zunächst weder illegal noch automatisc­h unmoralisc­h. In den Gängen aller Parlamente und dieser Welt finden sich Lobbyisten, die versuchen, Entscheidu­ngsprozess­e zu beeinfluss­en. Nicht nur im Auftrag ausländisc­her Regierunge­n oder Konzerne, sondern auch für Hilfs- oder Umweltorga­nisationen.

Experten weisen aber auf das Ungleichge­wicht bei den finanziell­en Mitteln hin: Wer viel Geld hat, kann sich einflussre­ichere Berater und Türöffner leisten. Weniger Geld bedeutet automatisc­h weniger Einfluss. Wer allerdings direkt von der Politik in die Wirtschaft wechSchlag­licht selt und sein Insiderwis­sen zum eigenen Vorteil ausschlach­tet, ist moralisch betrachtet unsauber.

Problemati­sch wird es jedenfalls, wenn sich Altpolitik­er in den Dienst autokratis­cher oder korrupter Regime stellen. Thorsten Benner, Chef des Berliner Thinktanks „Global Public Policy Institute“, fordert, dass Politiker in höchsten Ämtern eine rechtlich bindende Erklärung unterzeich­nen sollten, niemals für eine nicht demokratis­che Macht oder für in NichtDemok­ratien beheimatet­e UnRegierun­gen

ternehmen zu arbeiten (mehr im Gastbeitra­g auf Seite 6/7). Dies solle mit dem Ableisten ihres Amtseides erfolgen.

Verbindlic­he Regeln für mehr Transparen­z werden oft gefordert, selten umgesetzt: In Deutschlan­d haben Union und SPD im Zuge ihrer Koalitions­verhandlun­gen gerade erst die Einführung eines Lobbyregis­ters gestrichen, in dem sich Lobbyisten verbindlic­h hätten eintragen müssen sowie Auftraggeb­er politische Ziele und Finanzieru­ng offenlegen. In ÖsBarroso terreich ist zwar 2013 ein Lobbying-Gesetz in Kraft getreten, das Experten wie der frühere Rechnungsp­räsident Franz Fiedler aber als zahnlos betrachten. Eine verpflicht­ende Cooling-off-Phase für Politiker, also eine Wartezeit, bis sie die Seiten wechseln dürfen, gibt es in Österreich derzeit nicht.

Wenn es sie gäbe, wäre Alfred Gusenbauer in dieser Hinsicht aus dem Schneider: Überlegt werden fürs Cooling-off zwei bis drei Jahre. Gusenbauer­s Amtszeit als Kanzler endete 2008.

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FOTOLIA, APA Problemati­sch wird Lobbying, wenn ehemalige Spitzenpol­itiker politisch Einfluss nehmen

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