Kleine Zeitung Kaernten

Die große Angst in Irland vor dem Brexit

Die britische Premiermin­isterin Theresa May will heute in einer Rede erläutern, wie sie sich die Beziehunge­n zur EU vorstellt.

- Ingo Hasewend

Michel Barnier hat mit einem Entwurf eines Austrittsv­ertrages die Regierung in London unter Druck gesetzt. Vor allem die drei Optionen des EU-Chefunterh­ändlers zu Nordirland haben die britische Premiermin­isterin erzürnt. Empört wies Theresa May zurück, Nordirland könne ja im Binnenmark­t und in der Zollunion bleiben. Denn so entstehe eine harte Grenze auf der Irischen See. Dies untergrabe „die freie Wirtschaft“und gefährde „die Verfassung­sintegritä­t des Vereinigte­n Königreich­s“. „Kein britischer Premiermin­ister könnte dem je zustimmen.“

Aber auch die Vorschläge zur Übergangsp­hase, zum Status der EU-Bürger, zum Europäisch­en Gerichtsho­f und zu Finanzford­erungen sind weiterhin strittig. Heute nun will May ihrerseits in einer Grundsatzr­ede ihre Vorstellun­gen über den EU-Austritt erläutern. In einigen Regierungs­zentralen in Europa heißt es hinter vorgehalte­ner Hand, man habe noch im- mer den Eindruck, dass London keinen Plan habe.

Zündstoff steckt vor allem in der Frage, wie der bisher grenzenlos­e Handel und Verkehr zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland als Teil eines Nicht-EU-Mitglieds geregelt werden soll. Viele Bestimmung­en des Karfreitag­sabkommens zur Beendigung des jahrzehnte­langen Nordirland-Konflikts basieren auf einer Grenze ohne Kontrollen. Deshalb ist eine harte Grenze auf der irischen Insel für viele unvorstell­bar. Landwirte im nordirisch­en Derry besitzen Grund in der irischen Nachbargra­fschaft. Futter, Endprodukt­e und Tiere werden ungehinder­t hin und her transporti­ert. 35.000 Menschen überqueren täglich die oftmals unsichtbar­e Staatsgren­ze. Das Geheimnis liegt darin, dass protestant­ische Unionisten, die am Bund mit London festhalten, und die nach Vereinigun­g mit dem Süden strebenden Katholiken die Grenze ignorieren. So leben beide Seiten gut mit dem Status quo, der beide Vorstellun­gen in einer praktische­n Koexistenz vereinigt. Eine Grenze würde die Identität erneut infrage stellen. „Nordirland ist eine Gesellscha­ft, die aus einem Konflikt herauswäch­st“, sagte der ehemalige irische Außenminis­ter Charles Flanagan im Interview mit der Kleinen Zeitung.

Die Nordirland-KonfliktFo­rscherin Katy Hayward von der Queens University in Belfast prophezeit eine große Belastungs­probe bei einer harten EU-Außengrenz­e zu Irland. Dann könnten die gegenseiti­gen Wünsche nach einer Zugehörigk­eit zu einer Seite wieder entflammen. Es ging ja bei der Brexit-Abstimmung nicht nur um handfeste wirtschaft­liche Interessen, sondern auch viel um Emotionen, sagt Hayward.

 ?? APA ?? Theresa May regierte auf die Lösungsvor­schläge zu Nordirland erbost
APA Theresa May regierte auf die Lösungsvor­schläge zu Nordirland erbost

Newspapers in German

Newspapers from Austria