Kleine Zeitung Kaernten

Die Handlanger der Autokraten

ESSAY. Ehemalige Spitzenpol­itiker verdingen sich in Europa als Lobby autoritäre­r und korrupter Regime. Demokratie­n brauchen daher starke Regeln, um das zu verhindern.

- Von Thorsten Benner AP

Alfred Gusenbauer und Romano Prodi sind prominente Ex-Politiker, die sich gerade in öffentlich­en Erklärunge­n winden. Sie behaupten, sie hätten sich vor ein paar Jahren für eine engere Beziehung Europas zur Ukraine eingesetzt, sonst nichts weiter. Sie tun das, weil die jüngste Anklagesch­rift des USSonderer­mittlers Robert Mueller gegen einen Lobbyisten namens Paul Manafort ein paar pikante Details enthält.

Eine Gruppe ehemaliger europäisch­er Spitzenpol­itiker soll 2012 und 2013 in Europa und den USA verdecktes Lobbying für das korrupte Regime des damaligen ukrainisch­en Präsidente­n Janukowits­ch betrieben haben. Zwei Millionen Dollar gab es dafür.

Anführer des informell Habsburg-Gruppe genannten Zusammensc­hlusses war laut Anklagesch­rift ein „ehemaliger europäisch­er Kanzler“, nach Medienberi­chten soll es der ehemalige österreich­ische Regierungs­chef Alfred Gusenbauer gewesen sein. Unter den heimgroßen lichen Lobbyisten war nach Berichten auch Romano Prodi, der ehemalige italienisc­he Premier und EU-Kommission­spräsident. Prodi traf im Beisein von Manafort-Lobbyisten US-Kongressab­geordnete und veröffentl­ichte gemeinsam mit Gusenbauer einen Janukowits­chfreundli­chen Gastbeitra­g. Österreich­s Ex-Kanzler dementiert immerhin nicht, dass er für seine Dienste von einer US-Firma bezahlt worden ist.

Die aktuellen Enthüllung­en sind nur die Spitze eines Eisbergs. Zunehmend sichern sich nichtdemok­ratische Regime die Dienste ehemaliger westlicher Spitzenpol­itiker. Diese machen sich zu Steigbügel­haltern für autoritäre und korrupte Interessen. Sie setzen ihre Kontakte und ihre Glaubwürdi­gkeit für Regime ein, die für das Gegenteil der Demokratie­n stehen, in denen sie einst den Amtseid ablegten.

Beispiele gibt es reichlich. Der ehemalige britische Premier Tony Blair hatte zentralasi­atische Diktatoren als Topkunden seiner Beratungsf­irma. Philipp Rösler, ehemals deutscher Vizekanzle­r, arbeitet seit letztem Jahr beim chinesisch­en Investor HNA.

Nominell leitet er die HNAStiftun­g mit Sitz in New York. Es liegt aber nahe, dass er seine Kontakte in Europa einbringen wird, um den zweifelhaf­ten Ruf des Großinvest­ors aufzupolie­ren. In Australien sicherte sich China die Dienste eines ehemaligen Handelsmin­isters: Ein Milliardär mit engen Kontakten zur Kommunisti­schen Partei ihm einen mit 600.000 Euro jährlich vergüteten Beraterver­trag. Ein ehemaliger australisc­her Außenminis­ter leitet einen Thinktank, den Kritiker als Propaganda­vehikel Pekings bezeichnen.

Der prominente­ste Fall ist sicher der von Altkanzler Gerhard Schröder, der sich als Aufsichtsr­atschef des russischen Ölkonzerns Rosneft verdingt und auch den Verwaltung­srat von Nord Stream 2, einer Gazprom-Tochter, leitet. Dass Schröder der Bundesregi­erung jüngst beim Umgang mit einem anderen Autokraten unter die Arme griff und sich für die Freilassun­g der von Präsident Erdog˘an festgesetz­ten deutschen Staatsbürg­er einsetzte, macht Schröders Kreml-Engagement nicht weniger anrüchig.

Der „Tagesspieg­el“enthüllte 2017, wie der Altkanzler als Türöffner von Gazprom-Chef Alexei Miller bei der Wirtschaft­sministeri­n fungierte.

Schröders Rolle bei Rosneft legitimier­t ein Kronjuwel von Putins autoritäre­m Staatskapi­talismus und ein zentrales Vehikel der Machtausüb­ung des Kreml. Für Putin ist Schröder ein nützliches Maskottche­n. Indem er sich seine Dienste sichert, signalisie­rt er westlichen Demokratie­n: „Euer politische­s Spitzenper­sonal ist käuflich und keinen Deut besser als die Kleptokrat­en in Russland, die ihr so verachtet.“

Wenn also ehemalige Spitzenkrä­fte wie Schröder und Blair autoritäre­n und korrupten Regimen Vorschub leisten, fügen sie Demokratie­n Schaden zu. Es ist höchste Zeit, das zu beenden oder zumindest empfindlic­h zu stören. Karenzrege­ln für den Übergang in die Privatwirt­schaft, wie sie es gegenwärti­g gibt, reichen bei Weitem nicht aus.

Diejenigen, die in einer Demokratie höchste Ämter übernehmen wollen, sollten eine rechtlich bindende Erklärung unterzeich­nen, niemals (gleich in welcher Kapazität) für eine nichtdemok­ratische Macht oder in Nichtdemok­ratien beheimatet­e Unternehme­n zu arbeiten. Dies sollte mit dem Ableisten des Amtseids einhergehe­n.

Das ist nicht zu viel verlangt. Schließlic­h gibt es viele (auch auskömmlic­h dotierte) Positionen, in denen sich Ex-Spitzenpol­itiker für politische und gesellscha­ftliche Belange einsetzen können, ob daheim oder internatio­nal. Und wenn Spitzengab

Mehr Licht in das Geschäft der Lobbyisten autoritäre­r und korrupter Interessen zu bringen, gehört heute zu den dringlichs­ten Aufgaben bei der Verteidigu­ng unserer liberalen Demokratie und offenen Gesellscha­ft.

politiker in die freie Wirtschaft wechseln, dann sollte dies vorzugswei­se in Positionen geschehen, in denen sie mehr als nur alte Kontakte verwerten. Ex-Gesundheit­sminister Daniel Bahr, der ins Kerngeschä­ft der Allianz und nicht den Bereich Regierungs­beziehunge­n gewechselt ist, zeigt, dass es auch anders geht.

Die Bemühungen, korrupte und autoritäre Einflussna­hme einzudämme­n, müssen über die strengen Regeln für politische­s Spitzenper­sonal hinausgehe­n. Die jüngsten Enthüllung­en des Sonderermi­ttlers Mueller zeigen, wie Manafort sich auf ein Geflecht von Lobbyisten, Offshore-Bänkern, Anwaltskan­zleien und Thinktanks verließ, in das die ehemaligen Spitzenpol­itiker eingebunde­n waren. Dies ist ein weitverbre­itetes Muster. Oft bewegen sich die Aktivitäte­n – anders als bei der unter anderem Lobbyingdi­enstleistu­ngen über einen Pseudo-Thinktank in Brüssel mit dem Namen „European Centre for a Modern Ukraine“abwickelte – innerhalb des rechtlich Erlaubten.

Anwaltskan­zleien und Finanzdien­stleister bieten Klienten aus nichtdemok­ratischen Regimen allzu gern ihre Dienste an. Thinktanks erhalten Geld über legale Kanäle, wie das „Dialog der Zivilisati­onen“-Institut in Berlin, das vom PutinVertr­auten Jakunin finanziert wird und bei dem Gusenbauer im Aufsichtsr­at sitzt.

Ähnliches gilt für Thinktanks in Brüssel wie „Friends of Europe“, die chinesisch­e Gelder erhalten und damit nicht selten Veranstalt­ungen organisier­en, die Peking-freundlich­en Positionen eine Plattform bieten.

Deshalb sind verbindlic­he Transparen­zregeln nötig. Alle Beratungsd­ienstleist­er, die sich um öffentlich­e Aufträge in Demokratie­n bewerben, sollten alle Beziehunge­n zu Klienten aus nichtdemok­ratischen Regimen offenlegen. Lobbyisten sollten sich öffentlich registrier­en müssen, für welche Mandanten sie arbeiten. Hier kann Europa von der US-Gesetzgebu­ng, dem Foreign Agents Registrati­on Act, lernen.

Den auch von Putin und anderen allzu gern verwandten Begriff des ausländisc­hen Agenten sollte Europa nicht übernehmen, aber eine ähnliche Registrier­ungspflich­t wäre hierzuland­e sinnvoll. Auch sollten Thinktanks, Universitä­ten, Sportverei­ne und andere gemeinnütz­ige Organisati­onen Gelder aus nichtdemok­ratischen Staaten oder von deren Unternehme­n deklariere­n müssen.

Eine Herausford­erung in diesem Zusammenha­ng sind Anwälte und Anwaltskan­zleien. Die Anklagesch­rift gegen Manafort detaillier­t, wie eine Kanzlei vier Millionen Dollar erhielt, unter anderem für ein öffentlich­es Gutachten zum Prozess gegen die Janukowits­ch-Rivalin Julija Timoschenk­o.

Das Magazin „Der Spiegel“enthüllte unlängst, wie Ex-Innenminis­ter Otto Schily, der als Anwalt praktizier­t, ein Mandat für das kasachisch­e Regime übernahm und dafür von einer Stiftung bezahlt wurde, die ein österreich­isches Gericht als vom kasachisch­em Geheimdien­st gesteuert bezeichnet­e. Bei Schilys Arbeit soll es sich laut „Spiegel“um keine anwaltlich­e Tätigkeit im engeren SinManafor­t, ne, sondern um Lobbying haben.

Bislang profitiere­n Anwaltskan­zleien aus guten Gründen vom Mandantens­chutz. Falls die Offenlegun­gspflichte­n für Lobbyisten erhöht werden, besteht die Gefahr, dass sich das Lobbying-Geschäft für autoritäre und korrupte Auftraggeb­er in Anwaltskan­zleien verlagert, die mit dem Mandantens­chutz locken können. Deshalb sollte es eine behutsame wie bestimmte Diskussion um eine Anpassung der Mandantens­chutzregel­n geben, um diese Risiken auszuschli­eßen.

Agehandelt llerdings würden Offenlegun­gspflichte­n nicht alles zutage fördern können. Ein USSonderer­mittler wie Mueller hat gezeigt, was ein gut ausgestatt­etes Team bei Rechtsvers­tößen alles herausfind­en kann. „Wenn man ein Team von 30 Topermittl­ern in jedwede große Lobby- oder politische Beratungsf­irma mit internatio­nalen Klienten schickt, könnte es viele Überraschu­ngen geben“, sagte eine mit Manaforts Geschäften vertraute Person im letzten Jahr der „Financial Times“.

Mehr Licht in das Geschäft der Lobbyisten autoritäre­r und korrupter Interessen zu bringen, gehört heute zu den dringlichs­ten Aufgaben bei der Verteidigu­ng unserer liberalen Demokratie und offenen Gesellscha­ft.

Thorsten Benner ist Direktor des Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. Sein Gastbeitra­g „Handlanger der Autokraten“erschien zuerst in der Wochenzeit­ung „Die Zeit“.

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Man kennt sich: Berlusconi, Schröder, Putin
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