Die große Chance auf den Oscar
Wäre man ein bisschen zynisch, müsste man fast sagen: Einer geht schon noch, denn die derzeit hohe Frequenz an Superhelden im Kino könnte bald zu kosmischen Störungen führen. Jetzt mag man der Traumfabrik Hollywood unterstellen, dass es offenbar leichter ist, fremde Welten zu erfinden, als sich mit den Problemen der eigenen herumzuschlagen. Aber das wäre falsch, denn viele der heute Nacht für einen Oscar nominierten Stars kommen nicht mit dem Raumschiff angeflogen, sondern schreiten über den roten Teppich. Daraus schon eine Form der Bodenhaftung abzuleiten, wäre jetzt vermessen, aber ein roter Faden lässt sich doch gut erkennen: Die 90. Ausgabe der Oscar-Verleihungen ist auch eine Bühne für Rollen, die aus dem Rahmen fallen. Die sich dem Diktat der Anpassung verwehren, die aufbegehren, die Widerstand leisten.
So zum Beispiel die Jugendliche Christine McPherson, die sich selbst den Künstlernamen „Lady Bird“verpasst (so auch der Titel des Films). Ihre Mission: aus dem kleinstädtischen Milieu auszubrechen und auf dem Weg, selbst dort, wo es rundläuft, noch anzuecken. Saoirse Ronan (im Bild rechts) hat Chancen auf den Oscar als Hauptdarstellerin. An ihrer Seite Greta Gerwig, sie ist als Regisseurin und Drehbuchautorin des Films ebenfalls nominiert, unter anderem für den Regie-Oscar; Gerwig hat nach Kathryn Bigelow, die vor acht Jahren gewann, als erst zweite Frau Chancen auf diesen Preis. Insgesamt ist „Lady Bird“für fünf Oscars nominiert.
Wie weit die beiden heute Abend auch kommen mögen, sie haben gezeigt, dass man sich nicht verbiegen muss, um erfolgreich zu sein. Dass man seinen Träumen folgen soll, auch wenn man sich vielleicht zwischendurch einmal verflogen hat. Das auch hat viel mit einer Welt zu tun, die zwar über ausgefeilte HD-Technologie verfügt, aber in letzter Zeit auch vieles wieder schwarz-weiß sieht. Dann ist es gut, dass es Menschen gibt, die zwar mit beiden Beinen auf der Erde stehen, aber den Kopf in den Wolken haben.