Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Brauchen wir ihn noch?
Es erzählt Geschichten, die uns berühren, und stiftet vor allem Identität: Öffentlich-rechtliches Fernsehen steht mit der Gebührenfinanzierung zugleich auch für Unabhängigkeit und Kontinuität.
Mich stimmt die momentan auch in Österreich durchaus scharf geführte Debatte über die Sinnhaftigkeit von (gebührenfinanziertem) öffentlich-rechtlichem Fernsehen schon sehr nachdenklich. Wir leben in einer Zeit, in der Informationen rasend schnell, quasi in Echtzeit weltweit von jedermann zur Verfügung gestellt werden können. Neben allen Vorteilen birgt das auch Gefahren. Denn hinterfragt werden derartige Informationen leider allzu selten. Leicht fällt man der Bequemlichkeit anheim und bildet sich aus diesen Informationen einseitige, mitunter tendenziöse Meinungen. Wer hat denn in unserer schnelllebigen Gesellschaft schon die Ruhe, mehrere Sichtweisen zu einem Thema zu prüfen?
Öffentlich-rechtliches Fernsehen kann das und muss das! Denn allen Unkenrufen zum Trotz bin ich von der Objektivität und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens überzeugt. Qualitäten, die aus oben genanntem Grund heute wichtiger sind denn je.
Gerade die so diskutierte Gebührenfinanzierung sorgt in Wahrheit für Unabhängigkeit und Kontinuität. Dadurch, dass die Finanzierung dann eben nicht Gegenstand von regelmäßigen Verhandlungen mit einem (naturgemäß) politisch eingestellten Gegenüber ist, bleibt ein öffentlich-rechtlicher Sender in dieser Hinsicht von politischen Strömungen weitgehend unbeeinflusst.
Auch wenn nicht alle Inhalte des öffentlich-rechtlichen Angebots gleichermaßen auf Zustimmung stoßen, bilden sie doch in gewisser Weise die Pluralität unserer Gesellschaft ab. Und ich bin dankbar dafür, dass uns vielleicht Inhalte unbequem erscheinen, uns aufrütteln können, uns zum Nachdenken bringen können. Auch wenn man dann eben manchmal anderer Ansicht ist: sich mit Dingen auseinanderzusetzen, bringt uns weiter und eröffnet Perspektiven.
Was mir ebenfalls wesentlich erscheint: Öffentlich-rechtliches Fernsehen stiftet Identität! Nur dort gibt es Inhalte, die unsere Lebenswelt zeigen, die unsere Herkunft und Geschichte beleuchten, die an Schauplätzen stattfinden, die wir lieben, die Geschichten erzählen, die uns berühren und im besten Falle aus der Seele sprechen. Ohne öffentlich-rechtliches TV wären Stadtkomödien, Landkrimis, Tatorte, „Universum“Dokus, „Vorstadtweiber“, „Maria Theresia“, „Braunschlag“, „Polt“etc. nicht denkbar.
In diesem Sinne kann ich nur an jeden appellieren, sich die Mühe zu machen, die Diskussion zu gebührenfinanziertem Fernsehen eben aus mehreren Perspektiven zu betrachten.
Der ORF hat sich in eine falsche Richtung entwickelt. Warum macht er etwa jeden Kommerzialisierungsprozess mit und äfft die deutschen Privatsender nach? Eine sachliche Diskussion muss her!
Am ORF scheiden sich die Geister! Seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ist das größte Medienunternehmen der Republik Zankapfel und Reibebaum für Politik und mediale Mitbewerber. Kaum ein Medienunternehmen hat die Republik so nachhaltig geprägt wie der ORF. Die Bundesregierung bekennt sich auch ausdrücklich zum öffentlichrechtlichen Rundfunk.
Die aktuelle Diskussion über die Abschaffung der GIS-Gebühren hat sich vermeintlich an der Frage des Verhältnisses von ORF und exponierten Vertretern der FPÖ entzündet. Dabei ist diese Sichtweise – wenn auch medial gerne rezipiert – viel zu simplifizierend. Will man die Gebührenfrage seriös diskutieren, muss man vielmehr die Frage beantworten, wie der ORF seine eigene Stellung in einer Medienlandschaft, die durch Digitalisierung und neue Spieler (Netflix, Amazon etc.) auf dem Feld völlig im Umbruch ist, künftig gestalten und mit Leben erfüllen wird.
Die momentane Organisationsstruktur ist im Kern ein „Unternehmensbrei“mit unzähligen „Töchtern“. Der ORF wird im Jahr 2018 erstmals Einnahmen von über einer Milliarde Euro aus Gebühren, Werbeeinnahmen und sonstigen Erlösen lukrieren; wobei auf der anderen Seite die Personalkosten rund 400 Millionen ausmachen werden. Bei rund 4000 Mitarbeitern überlasse ich jedem Leser selbst die Schlussfolgerung.
Die eigentliche Aufgabe als öffentlich-rechtlicher Sender wird durch das kommerzielle Wettbewerbsfernsehen (und Radio), das sich rein auf die Quote beschränkt, zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Ist es wirklich Aufgabe des ORF, irgendwelche Shows, die bei den deutschen Privaten raufund runtergespielt werden, nachzumachen? Soll und muss ein Sender, der derzeit gebührenfinanziert ist, wirklich jeden Kommerzialisierungsprozess mitmachen? Urheber dieser Entwicklung war damals Generalintendant Gerhard Zeiler.
Ich rede keineswegs einer Provinzialisierung das Wort, aber sollte „die größte Medienorgel des Landes“mit ihrer identitätsstiftenden Aufgabe neben reiner Gewinnorientierung nicht auch wieder Platz für Public-Value-Content schaffen, der den „Öffentlich-Rechtlichen“nämlich erst ausmacht? Der Hinweis auf ORF III – so sehr ich diesen Sender persönlich auch schätze – geht ins Leere, denn dessen Reichweite ist überschaubar. Ein Feigenblatt, das nur am Rande befriedigt.
Ob die anachronistischen GIS-Gebühren in dieser Form noch zeitgemäß sind, muss man ohne Emotion sachlich und faktenbasierend diskutieren. Aufgeregtheit ist fehl am Platz.