Die Schweiz ist anders
Die Schweiz entscheidet heute über die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Das Ergebnis der Volksabstimmung hat Signalwirkung für Österreich. Doch der Vergleich mit den Eidgenossen hinkt auf beiden Beinen. Ihre Medienlandschaft und das politische Umfeld unterscheiden sich zu stark von hiesigen Verhältnissen.
Die SRG macht um die Hälfte mehr Umsatz als der ORF. Tamedia und Ringier, die stärksten Verlagshäuser, sind doppelt bis dreimal so groß wie Mediaprint und Styria, ihre Gegenstücke in Österreich. Diese finanzielle Potenz ist neben vier Landessprachen und der über die Weltkriege ungebrochenen Marktentwicklung eine Ursache für mehr Medienvielfalt.
Dazu kommt die bessere Qualität überregionaler Zeitungen. Nicht nur mit der „Neuen Zürcher“, sondern auch dem „Tages-Anzeiger“müssten „Presse“und „Standard“den Vergleich scheuen. Die SRG hat stärkere Konkurrenz um seriöse nationale Information als der ORF. Überdies gibt es mehr regionale Blätter, Radios und TV-Stationen mit ambitioniertem Nachrichtenangebot. Nur in einem Bereich ist Österreich voraus: Hier wagen sich mit Puls 4, ATV und Servus TV drei Privatsender ins nationale Informationsmatch. Die SRG hat keine solche Konkurrenz mehr. Einen solchen Markt neu zu schaffen, könnte die heimliche medienwirtschaftliche Agenda hinter „No Billag“sein, dem Slogan der Gebührengegner.
Die SRG erfüllt jene Rolle, wie sie der einstige Generalintendant Gerd Bacher dem ORF für Österreich definiert hat: größter nationaler Identitätsstifter und Kulturträger. Die rasante Veränderung der Mediennutzung ist kein ausreichendes Argument, um einer solchen Institution die Grundlage zu entziehen – ohne Ersatz zu bieten.
Hinter diesem Anschlag auf eine gesellschaftlich tragende Säule steckt eine langfristige demokratiepolitische Klimaveränderung. Seit bald 20 Jahren ist die pro „No Billag“agierende Schweizerische Volkspartei die stärkste Kraft. Ihr entspricht hierzulande – bisher – eher die FPÖ als die ÖVP. Populistisch polarisierende Parteien haben überall die integrative Funktion öffentlichrechtlicher Medien im Visier. Dieser Vergleich mit den Eidgenossen hinkt nicht.
auch Seite 4/5 Medienberater Peter Plaikner