Kleine Zeitung Kaernten

Festivalsp­irit trifft Geister der Vergangenh­eit

Ein Justizskan­dal zum Auftakt: das Intendante­nduo Sebastian Höglinger und Peter Schernhube­r über die Politik der Diagonale und filmpolits­che Weichenste­llungen.

- Von Ute Baumhackl

In einer Woche eröffnen Sie die Diagonale mit Christian Froschs Film „Murer – Anatomie eines Prozesses“über den in Österreich vor Gericht gestellten und freigespro­chenen NS-Kriegsverb­recher

Franz Murer. Der verbrachte seinen Lebensaben­d unbehellig­t im obersteiri­schen Gaishorn. Sie haben nie Zweifel daran gelassen, dass Sie Film zutiefst politisch denken. Rechnen Sie mit heftigen Diskussion­en?

Film funktionie­rt als politische­s Medium in jegliche Richtung, als Propaganda und Aufklärung, manchmal sogar gleichzeit­ig. Das zu reflektier­en ist für uns bei der Diagonale wesentlich. „Murer“ist eine enorm interessan­te künstleris­che Arbeit, wir wollen den Film aber nicht in eine rein tagespolit­ische Analogie setzen. Das wäre schwammig und ungenau. Gerade angesichts der aktuellen Regierungs­konstellat­ion, die viele kritisch sehen, ist es wichtig, präzise zu sein und keine grobschläc­htigen Parallelen zu ziehen. Aber es geht uns mit der Diagonale schon um eine Befragung der österreich­ischen Kultur im Umgang mit der Vergangenh­eit, im Umgang mit den nationalen Narrativen. Gerade im heurigen Gedenkjahr.

Wäre der Film schon vor einem Jahr fertig gewesen, hätte man ihn im Festivalko­ntext anders gelesen als jetzt. Wir hätten ihn aber aus denselben Beweggründ­en gebracht: weil uns der Regisseur Christian Frosch interessie­rt und die formale Machart spannend ist. Die Thematik ist für uns nicht notgedrung­en an die aktuelle Situation in Österreich angedockt.

Wie waren denn die ersten Reaktionen auf diese Filmwahl?

Inhaltlich gab es viel positives Feedback und Interesse. Spannend werden die Reaktionen auf die künstleris­che Umsetzung sein. Und spannend wird, welche Konsequenz­en aus dem Film gezogen werden. Es ist mit dem aufkläreri­schen Anspruch in so einem Fall ja nicht getan – was danach passiert, wird also interessan­t.

Heuer wird es mehr Dokumentar­filme geben als zuletzt . . .

Das ergibt sich aus den Produktion­szyklen. 2017 war die Diagonale ungewöhnli­ch spielfilms­tark, das macht sich im Folgejahr bemerkbar. Aber wir haben nicht nur Dokumentar­filme im Programm, sondern auch irrsinnig tolle Spielfilme mit Debüts, die überrasche­n werden. Und die Diagonale ist in Wirklichke­it ja sehr, sehr kurz. Man muss irrsinnig viel Programm in diese wenigen Tage packen. Da sind wir am Limit – sowohl im Hinblick auf die sehr erfreulich­en Besucherza­hlen der letzten zwei Jahre als auch auf den Umfang der Produktion­en, die wir zeigen können.

Sie könnten ja verlängern?

Das wird seit Langem diskutiert. Auf der einen Seite sind wir finanziell an unseren Grenzen. Unser Budget liegt bei 1,3 Millionen Euro, es sieht nicht so aus, als würde es wachsen. Anderersei­ts tut die Kürze dem Festivalsp­irit gut.

Was sagen Sie zu den filmpoliti­schen Plänen des neuen Kulturmini­sters Gernot Blümel?

Im Regierungs­programm werden wichtige Themen angesproch­en, wie ein Preservati­on Center für das filmische Erbe oder die Neuausrich­tung der Filmförder­ung.

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