Kleine Zeitung Kaernten

Der spärliche Dank der Republik

Das offizielle Österreich hielt den Architekte­n der Bundesverf­assung nicht, als er das Land verließ. Er war den regierende­n Christlich­sozialen zu liberal. Man lud ihn nach 1945 auch nicht ein zurückzuke­hren.

- Christian Weniger

Das Städtchen Brody umgibt eine Aura des alten Österreich­s. In diesem Städtchen des damaligen habsburgis­chen Kronlandes Galizien wurde 1894 Joseph Roth geboren, der später mit dem „Radetzkyma­rsch“den literarisc­hen Abgesang auf die Doppelmona­rchie verfassen sollte und in dessen Hans Kelsen: Werken sein 1881 bis 1973 Geburtsort immer wieder vorkommt. In Brody war 44 Jahre früher auch Adolf Kelsen geboren worden, dessen Sohn an einem außerorden­tlichen Werk für die junge Republik Österreich maßgeblich mitwirken sollte: an der Bundesverf­assung.

Hans Kelsen, am 11. Oktober 1881 in Prag zur Welt gekommen, besucht in Wien die Schule, studiert Rechtswiss­enschaften, wird 1917 Universitä­tsprofesso­r. Schon von der Regierung des Kaisers in staatsrech­tlichen Fragen beigezogen, wird Kelsen auch für das republikan­ische Land zum Ratgeber in Verfassung­sfragen. Staatskanz­ler Karl Renner, ein Sozialdemo­krat, versichert sich Kelsens Mitarbeit in Verfassung­sfragen. Er wird dann auch einer der wesentlich­en Architekte­n der am 10. November in Kraft tretenden Bundesverf­assung. Der parteifrei­e Kelsen wird als Sozialdemo­krat punziert, als Richter am Verfassung­sgerichts- hof trifft er Entscheidu­ngen, die den Christlich­sozialen nicht passen. Etwa zugunsten der Wiederverh­eiratung nach einer Scheidung.

Kelsen wird 1929 nicht mehr als Verfassung­srichter nominiert. Nach Stationen in Köln, Genf und Prag emigriert der internatio­nal anerkannte Rechtswiss­enschaftle­r in die USA. Wo er nach dem Ende der NaziHerrsc­haft in Europa bleibt. Er wird nach 1945 zwar zum korrespond­ierenden Mitglied der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften ernannt, zur Rückkehr nach Österreich lädt man Kelsen jedoch nicht ein. 1967 zeichnet ihn die Republik schließlic­h mit dem „Großen Silbernen Ehrenzeich­en mit dem Stern“, der fünften Ordensstuf­e, aus. 1971 gründete die Regierung das Hans-Kelsen-Institut, das Kelsens Erbe pflegt.

Einen deutschen Juristen mit speziellem Ruf ehrt Österreich 21 Jahre früher und höherwerti­ger: Hans Globke, Mitarbeite­r des deutschen Kanzlers Adenauer, erhält den zweithöchs­ten Orden, das „Große Goldene Ehrenzeich­en am Band für die Verdienste um die Republik Österreich“. In der Nazi-Zeit war Globke Spitzenjur­ist im Reichsinne­nministeri­um, Mitverfass­er der Nürnberger Rassegeset­ze und des Kommentars dazu.

Hans Kelsen stirbt am 19. April 1973 in den USA, seine Asche streut man über dem Pazifik aus.

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