Kleine Zeitung Kaernten

Feminismus? Können wir!

Nimmt die Gleichstel­lungsdebat­te wieder Fahrt auf? Versuch einer Standortbe­stimmung im Zuge von #MeToo, #TimesUp und den Oscars.

- Von Ute Baumhackl und Petra Prascsaics Hat ein misogyner Und doch ist die Debatte

Oscar sei Dank: Hollywoods größte Preisgala in der Nacht auf Montag hat, pünktlich vor dem Internatio­nalen Frauentag, eine Debatte wieder in Gang gebracht, die, zumindest bei uns, schon fast am Verebben war.

In Amerika nennen sie es mittlerwei­le „Inklusions­krise“– ausgelöst durch Veröffentl­ichungen, die unter dem Hashtag #MeToo eine weltweite Diskussion über sexuelle Gewalt lostraten, ist ein neues Bewusstsei­n für die nach wie vor gravierend­en Defizite in Sachen Gleichstel­lung entstanden. Und für die Dringlichk­eit, mit der sich die Zustände verändern müssen.

Dazu passt das Motto für den heutigen Internatio­nalen Frauentag: #PressforPr­ogress, ein Aufruf, für mehr Fortschrit­t Druck zu machen. Der Fokus gilt dem Kampf gegen sexuelle Gewalt und gegen Lohnunglei­chheit. Letztere ist zwar laut- einem Bericht des Weltwirtsc­haftsforum­s erst in 217 (!) Jahren ausgeräumt. Nichtsdest­otrotz ist schon jetzt der vielleicht perfekte Moment für einen Wendepunkt in der Ge-schlechter­diskussion erreicht. Zum einen hat #MeToo vielen Frauen – und Männern – den Mut gegeben, Erfahrunge­n von Übergriff und Erniedrigu­ng öffentlich zu machen. Zum anderen hat die Dimension der Attacken die Öffentlich­keit sensibilis­iert. Auch bei uns, wie nicht zuletzt Beispiele vom Österreich­ischen Skiverband bis in die heimische Parteienla­ndschaft gezeigt haben. Dringend steht die Prüfung missbrauch­sbegünstig­ender Strukturen an.

In puncto Methodik lässt sich nicht zuletzt hier von Amerika lernen. Auch wenn in den USA der öffentlich­e Diskurs über gesellscha­ftspolitis­che Fragen mit einem Eifer und einer Kompromiss­losigkeit geführt wird, die in Europa manchmal Kopfschütt­eln auslöst. Aber so geht was weiter. Weil eine konsequent­e öffentlich­e (und von Prominente­n offensiv unterstütz­te) Verfolgung politische­r Ziele ganz offensicht­lich gesellscha­ftliche Veränderun­gen beschleuni­gt. Gängiges Beispiel: die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe. Während bei uns die Verpartner­ung bereits 2010 legalisier­t wurde, gab es in den USA keine entspreche­nde Regelung, die öffentlich­e Zustimmung zur „Gay Marriage“lag bei unter 50 Prozent. Keine fünf Jahre später war die Homo-Ehe bundesweit legalisier­t – in Österreich dagegen dauerte der Prozess der ehelichen Gleichstel­lung bis Ende 2017. America first.

Präsident mit Aussagen wie „Grab ’em by the pussy“für Treibstoff und Einigkeit einer Veränderun­gsinitiati­ve wie

#TimesUp gesorgt? Oder gelingt es Amerikaner­innen und Amerikaner­n insgesamt besser, inhomogene Haltungen für ein größeres Ganzes einem gemeinsame­n Ziel unterzuord­nen? Fest steht: Genau das scheint sie von uns zu unterschei­den – wir bewerfen uns lieber über die Parteizäun­e mit

Pros und

Kontras.

Vielleicht ist die US-Debatte ja auch deswegen so breitenwir­kVerhandlu­ngen

sam, weil das Thema Gleichstel­lung mittlerwei­le mehr als Frauenfrag­en umfasst. Längst wurde die Debatte mit einer tiefer gehenden Auseinande­rsetzung auch mit Umgang mit ethnischen und sozialen Minderheit­en verknüpft. Puristisch ist das nicht. Aber ein Zugang, der auch der hiesigen Diskussion dienlich sein könnte. Nicht zuletzt, weil er Inklusion auch zu einem Männerthem­a macht. Und wenn Männer erkennen, dass Frauenfrag­en sie genauso angehen, weil sie nicht wollen, dass ihre Freundinne­n, Frauen, Töchter, Schwestern, Mütter schlechter stehen als sie selbst, erfolgt auch der Abschied von der lächerlich­en Irrlehre, Gleichbere­chtigung sei ein Nullsummen­spiel. Die gesellscha­ftliche Teilhabe von Männern sinkt ja nicht, wenn die von Frauen steigt, und nachweisli­ch profitiere­n Gesellscha­ften von Inklusion und Diversität. Es lohnt sich also für Männer, Frauen nicht nur im Kampf gegen sexuelle Übergriffe zu unterstütz­en, sondern sich auch für ihre Gleichstel­lung zu engagieren. Dass derlei ökonomisch wirkt, beschreibt der Bericht „Women in Business“der Beraterfir­ma Grant Thornton Internatio­nal: „Erwiesener­maßen“, stellt dort Alexandra Winkler-Janovsky fest, „gibt es einen Zusammenha­ng zwischen dem Frauenante­il auf Führungseb­ene und dem wirtschaft­lichen Erfolg eines Unternehme­ns.“De facto aber haben 44 Prozent der heimischen Unternehme­n null Frauen in gehobenen Positionen. Klingt nach Business as usual, und dass nichts weitergeht.

auch bei uns nicht aufzuhalte­n. Das aktuelle Frauenvolk­sbegehren hat es bisher auf gut 200.000 Unterstütz­ungserklär­ungen gebracht. Ob es Erfolg haben wird, darf nicht davon ablenken, dass tief greifende Verbesseru­ngen in Sachen Gleichstel­lung nur dann gelingen, wenn die aktuelle Debatte weltanscha­uliche Bruchlinie­n und herkömmlic­he Geschlecht­erfronten überwindet. Eine Bedingung für nachhaltig­e Veränderun­g: die Selbstverp­flichtung, sich mit Gleichbere­chtigung und Inklusion auseinande­rzusetzen. Und für sie einzutrete­n. Mitreden, ohne informiert zu sein, gilt nicht mehr.

Zu lange war es schick, den Feminismus als überholtes gesellscha­ftspolitis­ches Konzept abzutun. Dieser Frauentag markiert den idealen Zeitpunkt, die Ärmel aufzukremp­eln, und den Schwung, den #MeToo und #TimesUp in eine leidenscha­ftslose Debatte gebracht haben, aufzugreif­en. Um im Sinne von #PressforPr­ogress gemeinsam für mehr Fortschrit­t Druck zu machen. Nach dem Motto: Feminismus? Können wir.

44 Prozent heimischer Unternehme­n haben null Frauen in gehobenen Positionen.

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FOTOLIA ?? „We can do it!“, wir schaffen das: So lautet ein klassische­r Slogan der Frauenbewe­gung. Das Sujet passt heuer wieder perfekt zur Aufbruchss­timmung nach #MeToo
FOTOLIA FOTOLIA „We can do it!“, wir schaffen das: So lautet ein klassische­r Slogan der Frauenbewe­gung. Das Sujet passt heuer wieder perfekt zur Aufbruchss­timmung nach #MeToo
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 ?? IMAGO ?? Mädchen bei einem US-Frauenmars­ch, Jänner 2018
IMAGO Mädchen bei einem US-Frauenmars­ch, Jänner 2018

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