Der große Durchbruch
Augenblicke
Was für eine unbändige Kraft, was für ein unbeirrbares Durchsetzungsvermögen, was für ein stoisches Wissen darum, dass nach des Winters Schlaf wieder das Erwachen des Frühlings ansteht und nichts, schon gar nicht der Mensch, diesen ewigen Kreislauf der Natur unterbrechen kann.
Was für eine Blume. „Galanthus“lautet ihr lateinischer Name. Weil sie ihren Trotzkopf immer durchsetzt – mag die Wintertuchent noch so dick und fest und erdrückend sein – und damit neckisch dem Lenz entgegenläutet, haben wir sie Schneeglöckchen genannt. Aber weil ein so galantes Geschöpf natürlich mehrere Namen braucht, treibt die Fantasie des Volksmundes bunte Blüten. Alsdann: Hübsches Februar-Mädchen, LichtmessGlöckchen, Marienkerze, Milchblume, Schneetulpe, Weiße Jungfrau. So vielsagend, so vielversprechend.
Schaut, er ist da! Das sagt und verspricht das Schneeglöckchen. Der Frühling ist da. Riecht doch die würzige Luft, hört doch die heimgekehrten Vögel, fühlt doch die Sonnenstrahlen auf eurer Haut. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“, dichtet Hesse. Und kaum einem anderen Beginn als jenem des Frühlings wohnt eine so magische, allumfassende Strahlkraft inne. Die archaische Strenge des Winters ist vorbei, das Rasten und Ruhen hat ein Ende – jenes der Menschenhände und jenes des Ackerbodens. Bald wird die Erde aufgebrochen, neue Saat wird gelegt, neues Leben wird wachsen – und der ewige Kreislauf geht weiter.
Weiß wie Schnee, weiß wie die Unschuld. Und mitunter kostbarer als so manch anderer Bodenschatz! „Snowdrop“, Schneetropfen, nennen die Briten diese Blume, die ihnen sowohl lieb als auch teuer ist. Sie zelebrieren nicht nur eigene „Snowdrop days“, sondern veranstalten auch Schneeglöckchen-Safaris und Sammlerbörsen, auf denen bestimmte Gattungen Preise erzielen, dass einem schwarz vor Augen werden könnte. Und natürlich haben diese Schneetropfen-Aficionados auch einen eigenen Namen: Man nennt sie Galanthophile. Viel Ehre für unseren Trotzkopf.