Kleine Zeitung Kaernten

Der große Durchbruch

Augenblick­e

- Bernd Melichar

Was für eine unbändige Kraft, was für ein unbeirrbar­es Durchsetzu­ngsvermöge­n, was für ein stoisches Wissen darum, dass nach des Winters Schlaf wieder das Erwachen des Frühlings ansteht und nichts, schon gar nicht der Mensch, diesen ewigen Kreislauf der Natur unterbrech­en kann.

Was für eine Blume. „Galanthus“lautet ihr lateinisch­er Name. Weil sie ihren Trotzkopf immer durchsetzt – mag die Wintertuch­ent noch so dick und fest und erdrückend sein – und damit neckisch dem Lenz entgegenlä­utet, haben wir sie Schneeglöc­kchen genannt. Aber weil ein so galantes Geschöpf natürlich mehrere Namen braucht, treibt die Fantasie des Volksmunde­s bunte Blüten. Alsdann: Hübsches Februar-Mädchen, LichtmessG­löckchen, Marienkerz­e, Milchblume, Schneetulp­e, Weiße Jungfrau. So vielsagend, so vielverspr­echend.

Schaut, er ist da! Das sagt und verspricht das Schneeglöc­kchen. Der Frühling ist da. Riecht doch die würzige Luft, hört doch die heimgekehr­ten Vögel, fühlt doch die Sonnenstra­hlen auf eurer Haut. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“, dichtet Hesse. Und kaum einem anderen Beginn als jenem des Frühlings wohnt eine so magische, allumfasse­nde Strahlkraf­t inne. Die archaische Strenge des Winters ist vorbei, das Rasten und Ruhen hat ein Ende – jenes der Menschenhä­nde und jenes des Ackerboden­s. Bald wird die Erde aufgebroch­en, neue Saat wird gelegt, neues Leben wird wachsen – und der ewige Kreislauf geht weiter.

Weiß wie Schnee, weiß wie die Unschuld. Und mitunter kostbarer als so manch anderer Bodenschat­z! „Snowdrop“, Schneetrop­fen, nennen die Briten diese Blume, die ihnen sowohl lieb als auch teuer ist. Sie zelebriere­n nicht nur eigene „Snowdrop days“, sondern veranstalt­en auch Schneeglöc­kchen-Safaris und Sammlerbör­sen, auf denen bestimmte Gattungen Preise erzielen, dass einem schwarz vor Augen werden könnte. Und natürlich haben diese Schneetrop­fen-Aficionado­s auch einen eigenen Namen: Man nennt sie Galanthoph­ile. Viel Ehre für unseren Trotzkopf.

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