Polit-Intrige um Geheimdienst?
WIENER PARKETT. Die ungewöhnliche Razzia beim Geheimdienst hält die Republik in Atem. Unklar ist, ob die Aktion nur ein Vorwand ist, um den BVT-Chef loszuwerden.
Vor Jahren wurde man noch an der Straßenecke vom Mann mit dem Billa-Sackerl abgeholt, wenn man erstmals einen Termin beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte. Heute läuft es nicht mehr so geheimnisvoll ab. Einmal im Jahr tritt dessen Chef sogar vor die Öffentlichkeit, wenn der Verfassungsschutzbericht vorgelegt wird. Wo der Geheimdienst residiert, ist längst kein Staatsgeheimnis mehr.
Unter den rund 500 Beamten in der Zentrale am Rennweg ist, wie ein Insider der Kleinen Zeitung erzählt, die „Verunsicherung sehr groß“. Die kommandoartige Hausdurchsuchung durch eine Spezialeinheit der Polizei hat die Beamten „teils ziemlich verschreckt“. In einige Büros seien die bewaffneten Einheiten hineingestürmt und hätten die Anwesenden mit der Order „Kommunikationsverbot“überrascht. „Wer seids denn ihr überhaupt?“, hätten einige entgegnet. Laut „profil“wurden bei der Aktion zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB-Sticks, acht FloppyDiscs, 397 Seiten Schriftverkehr sowie insgesamt 315 CDs und DVDs sichergestellt. Eine Referatsleiterin musste Passwörter und Handycodes übergeben. Als Beschuldigte werden NochBVT-Direktor Peter Gridling, sein Ex-Vize Wolfgang Zöhrer, der Abteilungsleiter Nachrichtendienste sowie drei andere Mitarbeiter geführt.
Zwei konkrete Vorwürfe stehen im Raum: dass der Geheimdienst drei von der Staatsdruckerei für Nordkorea hergestellte Pässe dem südkoreanischen Geheimdienst im Vorfeld der Olympiade übergeben habe. Außerdem seien Daten, die im Zuge der längst wieder eingestellten Ermittlungen gegen den Wiener Rechtsanwalt Gabriel
Lansky in der Kasachstan-Connection gespeichert wurden, nicht gelöscht worden. Im BVT vermutet man, dass ein Insider dieses Wissen gesammelt habe. In einem knapp 40-seitigen Dossier wird allerdings auch der Vorwurf erhoben, dass Teile von Lösegeldern, die bei Geiselnahmen im arabischen Raum gezahlt wurden, veruntreut wurden. Auch von sexuellen Übergriffen ist die Rede.
Was allgemein verwundert, ist der Zeitpunkt der Aktion. In neun Tagen, am 20. März, läuft der Fünfjahresvertrag von BVT-Chef Gridling aus. Der Vertrag besitzt eine automatische Verlängerungsklausel, es sei denn, drei Monate vor Ablauf wird Gridling mitgeteilt, dass eine Verlängerung nicht im Raum steht. Diese Frist lief zwei Tage nach der Angelobung der neuen Regierung aus. Manche vermuten, dass die Anschuldigen nur ein Vorwand sind, um Gridling, der von ÖVP-Innenministern eingesetzt wurde, loszuwerden. Nach einem Gespräch mit dem von Innenminister Herbert Kickl eingesetzten Generalsekretär Peter Goldgruber ging Gridling – nicht ganz unfreiwillig – auf Urlaub. Am Freitag deutete Kickl an, dass Gridling nicht mehr sein Vertrauen genieße. Die Hausdurchsuchung wurde bekanntlich von einer Einheit durchgeführt, die einem FPÖ-nahen Beamten unterstellt ist.