Kleine Zeitung Kaernten

Das Kreuz als Therapieze­ntrum

- Ernst Windbichle­r, Pfarrer in Spittal an der Drau

Das Kreuz, eine Fahne, an dem wir das Dunkle anschauen können, das im Menschen steckt. Es hat Jahrhunder­te gedauert, bis es die Christen dargestell­t haben. Es ist immer ein Schandpfah­l gewesen. „Verflucht ist, wer am Galgen hängt“, hieß es. Heute ist das Kreuz entschärft, es ist eher zu einem Schmuckstü­ck geworden. Der Evangelist Johannes lädt zu einer therapeuti­schen Sichtweise ein: Er rät uns, auf das Kreuz zu schauen, weil wir darin all der Grausamkei­t begegnen, zu der nur je ein Mensch fähig sein kann. Wer das Kreuz anschaut, der blickt aber auch seiner eigenen Todesangst ins Auge, und das ist wohl die am tiefsten sitzende Angst, die man haben kann. So kann der Mensch sein, und das hat er vor sich. Aber dann dürfen wir noch einmal hinschauen und dürfen es im Licht der Auferstehu­ng, im Licht von Ostern betrachten: als Zeichen einer unverständ­lichen und radikalen Liebe Gottes zu uns, als Pluszeiche­n.

Für viele Menschen ist es deshalb einer der Lieblingss­ätze aus der ganzen Hl. Schrift, wenn es heute heißt: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, son- dern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

Wir wissen nicht, warum er diesen blutigen Weg wählt, um uns seine Liebe zu zeigen. Aber er lässt nicht andere draufzahle­n, sondern gibt sich in Jesus selber hin, nicht aus Rache, sondern aus Liebe zur Welt. Nicht nur für die heile Welt, sondern gerade für diese so entsetzlic­h unvollkomm­ene Erde. Jesus will uns unter Einsatz seines Lebens einen anderen Gott zeigen, einen, der nicht hin-richtet, sondern herund aufrichtet. Sein Gericht reimt sich auf Licht. Wenn er richtet, dann lichtet sich das Dunkel.

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