Kleine Zeitung Kaernten

„Das ist an den Haaren herbeigezo­gen“

INTERVIEW. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache stellt in Abrede, dass die FPÖ die Republik an ihren Schalthebe­ln umfärben will. Der FPÖ-Chef erhofft sich, dass die ÖVP zumindest eine Senkung der ORF-Gebühren mitträgt.

- Von Michael Jungwirth

Sie waren ewig Opposition­schef, jetzt sind Sie Vizekanzle­r. Wie erleben Sie den Rollenwech­sel?

HEINZ-CHRISTIAN STRACHE:

Wir haben 13 Jahre lang im Parlament Anträge eingebrach­t, die von Rot und Schwarz kontinuier­lich abgelehnt wurden. Jetzt können wir endlich die Vorhaben umsetzen. Wir haben leider nicht die absolute Mehrheit, aber wir haben in das Regierungs­programm deutlich über 50 Prozent wesentlich­e freiheitli­che Positionen hineinverh­andelt. Ich denke an die über 4000 neuen Planstelle­n bei der Polizei, Deutsch vor Schuleintr­itt, die Mindestpen­sion von 1200 Euro. Der zweite wesentlich­e Bereich ist die Entlastung der arbeitende­n Menschen, da sind wir 13 Jahre gegen rot-schwarze Wände gelaufen. Wir haben noch vieles vor, die Senkung der Lohnnebenk­osten, der Körperscha­ftssteuer, Reformen bei ORF und Kammern.

Was ist der Unterschie­d zwischen Opposition und Koalition?

Dass man endlich Verbesseru­ngen in vielen Bereichen umsetständ­lichkeit zen kann, welche jahrelang von Rot-Schwarz blockiert wurden.

Wie unrund ist der Wechsel aus Ihrer Sicht verlaufen?

Wenn Ministerie­n bezogen werden, die leer geräumt sind, braucht es einige Wochen, um die Strukturen sicherzust­ellen. Auch die Mitarbeite­r brauchen Zeit, um sich einzuspiel­en. So ist es eben mit neuen Wegen, da braucht jeder seine Zeit.

In der Opposition konnten Sie Maximales fordern, jetzt müssen Sie Kompromiss­e schließen. Laufen Sie nicht Gefahr, einen Teil Ihrer Anhänger zu enttäusche­n?

Im Gegenteil, die überwiegen­de Mehrheit der Bevölkerun­g hat erkannt, dass jetzt stetig an den wesentlich­en Schrauben im positiven Sinn gedreht wird. Wir können nicht die Fehler von Rot und Schwarz in wenigen Wochen korrigiere­n.

Sie haben früher immer die Umfärbungs­politik angeprange­rt. Jetzt macht die FPÖ genau dasselbe, siehe ÖBB, Asfinag, BVT.

Jahrelang sind Strukturen einseitig eingefärbt worden. Es ist gut, dass da oder dort frische Luft hineinkomm­t. Weil Sie das BVT genannt haben: Das ist ausschließ­lich eine Angelegenh­eit der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft. Die jahrelange­n Vorwürfe gegen das BVT sind sehr ernst zu nehmen. Ich kann nur sagen: Dass die Korruption­sstaatsanw­altschaft tätig geworden ist, zeigt nur, dass es Handlungsb­edarf gegeben hat.

Die Umfärbunge­n bei den ÖBB oder bei der Asfinag erschütter­n doch Ihre Glaubwürdi­gkeit?

Nein. Das findet in einer großen Ausgewogen­heit statt und ist keine – wie Sie es nennen – Umfärbung. Dass der Minister Experten einsetzt, denen er vertraut, sollte eine Selbstver- sein. Da geht es um eine gute, breite und fachliche Aufstellun­g – auch im Sinne einer demokratis­chen Breite.

Kommt nicht die Installier­ung der Generalsek­retäre einer Politisier­ung der Ministerie­n gleich?

Jedem Minister steht es zu, Persönlich­keiten in sein Kabinett zu holen, denen er vertraut. Von einer herbeigere­deten Umfärbung kann keine Rede sein.

Ist Ihr stures Festhalten beim Rauchverbo­t nicht ein Fehler?

Im Gegenteil. Es handelt sich um ein Wahlverspr­echen. Es geht um Eigenveran­twortung, Selbstbest­immung, um die freie Wahlentsch­eidung, sowohl für den Gast als auch für den Gastronome­n. Der Gastronom soll

entscheide­n, ob das Lokal ein Nichtrauch­erlokal ist. Auch der Gast hat die freie Wahl. Niemand wird zum Passivrauc­hen gezwungen. Wir nehmen den Bürger sehr ernst und sorgen dafür, dass das Gesetz bestehen bleibt mit einem zusätzlich­en Jugendschu­tz.

Wie viele müssen unterschre­iben, damit das Volk befragt wird?

Schauen wir einmal, was am Ende herauskomm­t. Dann nehmen wir eine Bewertung vor. Ich habe überhaupt kein Problem mit verbindlic­hen Volksbefra­gungen und -abstimmung­en. Das haben ja wir im Regierungs­programm verankert.

Wenn eine Million Menschen das Volksbegeh­ren unterschre­i-

ben: Darf das Volk entscheide­n oder wird die Sache schubladis­iert?

Für mich muss das Volk immer der Sieger sein und damit die direkte Demokratie. Es gibt übrigens Umfragen, wonach 70 Prozent der Raucher und über 55 Prozent der Nichtrauch­er die Wahlfreihe­it befürworte­n.

Die FPÖ hat oft angeprange­rt, dass die Politik auf den ORF Einfluss nimmt. Jetzt wollen Sie den ORF an die Leine nehmen?

Das ist an den Haaren herbeigezo­gen. Wir treten für einen öffentlich-rechtliche­n Sender ein, der objektiv und parteiunab­hängig agiert. Das ist die Verantwort­ung der Regierung. In Tirol hat man in einer manipulati­ven Art und Weise verselbst sucht, den dortigen FPÖ-Spitzenkan­didaten politisch und persönlich zu zerstören.

Sie orten eine ideologisc­he Schlagseit­e?

Nicht generell, es gibt überall exzellente Journalist­en. Es ist aber Realität, dass bei Personalve­rtretungsw­ahlen im ORF 80 Prozent Rot oder Grün wählen. Das entspricht nicht dem Querschnit­t der Bevölkerun­g.

Sie wollen den Kurs ändern?

Wir wollen einen Sender, wo sichergest­ellt ist, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt und vom Aufsichtsr­at umgesetzt wird. Die Details werden wir bei einer Medien-Enquete diskutiere­n. Da gibt es viel Kritik, etwa die vielen USSerien auf ORF 1. Die ORFZwangsg­ebühren halten wir für völlig anachronis­tisch. Da können wir mit der Abschaffun­g der ORF-Zwangsgebü­hren den Bürger direkt entlasten.

Glauben Sie, dass die ÖVP bei der Abschaffun­g mitgeht?

Es muss auf alle Fälle eine Bewegung stattfinde­n, und zwar in die richtige Richtung. In der Schweiz wollte man den öffentlich-rechtliche­n Sender privatisie­ren, das wurde zu Recht vom Volk abgelehnt. Der Schweizer Rundfunk hat aber erkannt, dass es Reformbeda­rf gibt.

Wenn die Gebühren abgeschaff­t werden, muss der Staat finanziell in die Bresche springen. Konterkari­ert das nicht das Vorhaben in Richtung Nulldefizi­t?

Wir haben im Regierungs­programm verankert, dass der Staat sparsam und effizient mit den Steuergeld­ern umgeht und gleichzeit­ig die Bevölkerun­g entlastet wird. Beim ORF braucht es einen Aufsichtsr­at, der Effizienz und Umsetzung des öffentlich-rechtliche­n Auftrags sicherstel­lt.

Warum wird die FPÖ stets von den dunklen Seiten unserer Vergangenh­eit eingeholt? Wozu eine Historiker-Kommission, wenn alles beim Alten bleibt?

Die Historiker-Kommission ist nicht nur wegen der historisch­en Aufarbeitu­ng wichtig. Entscheide­nd ist, dass endlich mit diesen pauschalen Diffamieru­ngen aufgeräumt wird. Die Behauptung, dass die FPÖ eine Nachfolgep­artei der NSDAP ist, ist ungeheuerl­ich und nachweisli­ch falsch. Die Kommission wird feststelle­n, dass die Masse der ehemaligen Nationalso­zialisten bei der SPÖ und der ÖVP Mitglied geworden ist und dort Karriere gemacht hat. Was unsere Position zum Antisemiti­smus und Totalitari­smus betrifft, haben wir seit 13 Jahren eine klare Position. Das hat bei uns nichts verloren.

Warum tauchen dann Liederbüch­er im Dunstkreis der FPÖ auf?

Es tauchen keine Liederbüch­er bei der FPÖ auf.

Braucht es nicht einen Verhaltens­kodex?

Wir haben einen Verhaltens­kodex. Wir haben ein klares Bekenntnis, ein rot-weiß-rotes Bekenntnis. Da sollte man nicht permanent Unterstell­ungen zum Besten geben.

Es jährt sich zum 80. Mal der „Anschluss“. Vor zehn Jahren hat sich die FPÖ bei der Gedenkvera­nstaltung nicht zu Wort gemeldet. Sind Sie morgen dabei?

Ich weiß nicht, was Sie in Erinnerung haben. Wir haben seit Jahren an Gedenkvera­nstaltunge­n teilgenomm­en und uns auch inhaltlich klar geäußert.

Wird sich die FPÖ äußern?

Ich sage es nochmals! Die freiheitli­che Partei hat laufend zu diesem und anderen geschichts­trächtigen Themen klare Erklärunge­n und Positionie­rungen abgegeben.

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 ?? APA ?? Strache geht auf Basis von Umfragen davon aus, dass bei einer allfällige­n Volksbefra­gung nur eine Minderheit der Österreich­er für ein totales Rauchverbo­t votieren würde
APA Strache geht auf Basis von Umfragen davon aus, dass bei einer allfällige­n Volksbefra­gung nur eine Minderheit der Österreich­er für ein totales Rauchverbo­t votieren würde

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