Kleine Zeitung Kaernten

Was ist los mit dem österreich­ischen Geheimdien­st BVT? Die Geschichte einer undurchsic­htigen Affäre.

Die Büros des Verfassung­sschutzes werden durchsucht, dessen Chef zugleich im Amt verlängert und suspendier­t. Geschichte einer mysteriöse­n Geheimdien­staffäre.

- Von Bernd Hecke und Thomas Götz

1 Wie sind Österreich­s Geheimdien­ste überhaupt organisier­t?

ANTWORT: „Eigentlich haben wir keine Geheim-, sondern nur Nachrichte­ndienste. Denn Geheimdien­ste zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie auch auf eigene Faust in Geheimakti­onen agieren“, sagt der Historiker und Geheimdien­stexperte Siegfried Beer. Unsere Dienste seien eher Informatio­nssammler und Analysten, da gebe es keine Spione und Agenten. Drei Dienste gebe es in der Alpenrepub­lik: das Heeresnach­richtenamt (HNA), das die militärisc­he Lage nach außen gerichtet im Fokus hat, das Heeresabwe­hramt (HAA), das nach innen gerichtet agiert, aber auch schon zivile Bereiche – wie etwa die Cyberkrimi­nalität – abdeckt, und das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), das nun im Mittelpunk­t der politische­n Diskussion steht. Die Aufteilung der Dienste auf mehrere Ämter und Ministerie­n sei sinnvoll und auch internatio­nal üblich, sagt Beer. In den USA gebe es 17 unterschie­dliche Nachrichte­n- und Geheimdien­steinheite­n, die verschiede­nen Ministerie­n unterstehe­n.

2 Welche Agenden hat das BVT genau über?

ANTWORT: Die 309 Bedienstet­en des Verfassung­sschutzes haben alle Bereiche der inneren Sicherheit abzudecken, „was für einen relativ kleinen Dienst schon fast eine Überforder­ung

Von einer Umfärbung kann keine Rede sein.

Herbert Kickl,

Innenminis­ter

darstellt“, meint Beer: „Sie sind zuständig für Spionageab­wehr, organisier­te Kriminalit­ät, Objekt- und Personensc­hutz, Extremismu­s und Terrorismu­s. Mit dem Syrienkonf­likt und der Bedrohung des IS hat das BVT in den letzten Jahren am Limit gearbeitet. Wohl auch deshalb haben sich die Probleme dort aufgestaut“, vermutet der Experte. 3 Warum ist das BVT jetzt ins Kreuzfeuer geraten?

ANTWORT: Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt gegen einige Beamte des BVT, unter ihnen auch BVT-Chef Gridling, wegen Datenmissb­rauchs und wegen der Veruntreuu­ng von Geldern, die eigentlich für Informante­n vorgesehen waren. Auch die Weitergabe von nordkorean­ischen Pässen, die in Österreich gedruckt wurden, an Südkorea wird untersucht. Im Rahmen dieser Ermittlung­en suchte die WKStA um eine Hausdurchs­uchung an, die richterlic­h genehmigt und am 28. Februar durchgefüh­rt wurde und heftige Irritation­en auslöst. 4 Was sind die konkreten Vorwürfe?

ANTWORT: Bei der Hausdurchs­uchung wurde die Staatsanwa­ltschaft von der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität (ESG) begleitet, die schwer bewaffnet in Wohnungen und im BVT selbst eingefalle­n sein soll. Außerdem sei auch eine Datei mitgenomme­n worden, die mit der Sache nichts zu tun hat, sondern die Ermittlung­sergebniss­e über Rechtsextr­eme enthalte. Da ESG-Chef Wolfgang Preiszler freiheitli­cher Gemeindera­t und Polizeigew­erkschafte­r ist, erweckte diese Kombinatio­n Verdacht. Die WKStA stellte gegenüber dem Justizmini­sterium jedoch klar, dass die Beschlagna­hme nicht die ESG, sondern die Staatsanwa­ltschaft selbst und ihre ITExperten vorgenomme­n hätten. Ein Bericht, den Justizmini­ster Josef Moser von der WKStA eingeforde­rt hat, wird derzeit im Justizmini­sterium geprüft. Heute will der Minister die Inhalte der Öffentlich­keit vorlegen. 5 Was steht hinter dem Streit um die Person des BVT-Chefs Gridling?

ANTWORT: Die Opposition wirft Kickl vor, den Geheimdien­st umfärben zu wollen, mit allen Mitteln. Peter Gridling wurde 2007 von Innenminis­ter Günther Platter (ÖVP) eingesetzt. Sein Vertrag wäre am 20. März ausgelaufe­n. Da er aber nicht wie vorgesehen ein halbes Jahr vor diesem Termin (damals verhandelt­en ÖVP und FPÖ gerade ihr Regierungs­programm) von seiner geplanten Nichtverlä­ngerung informiert worden war, musste der Innenminis­ter seinen Vertrag zwingend verlängern. Der Bundespräs­ident zeichnete die Verlängeru­ng im Februar gegen, Innenminis­ter Kickl überreicht­e Gridling die Urkunde aber vorerst nicht. Erst als dieses Faktum zu Wochenbegi­nn publik wurde, übergab Kickl am Dienstag die Ernennungs­urkunde, suspendier­te Gridling aber zugleich. Er habe keine andere Wahl gehabt, sagte der Minister, da Gridling „in der Zwischenze­it als Beschuldig­ter geführt wird“. Die interimist­ische Leitung des Hauses übergab Kickl Dominik Fasching, der die Abteilung für strategisc­he Analyse im BVT leitet. Gridling könne jederzeit zurückkomm­en, sobald die Sache geklärt sei, betonte der Minister. Für ihn wie auch für andere Beschuldig­te in der Causa, die suspendier­t wurden, gelte natürlich die Unschuldsv­ermutung. 6 Was plant die Opposition?

ANTWORT: Für kommenden Montag wurde eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts einberufen. Neos und Liste Pilz haben darüber hinaus angekündig­t, einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss beantragen zu wollen. Die SPÖ will die Sondersitz­ung abwarten, ehe sie über einen U-Ausschuss entscheide­t. Die Liste Pilz will außerdem einen Misstrauen­santrag gegen Kickl stellen. Ob die SPÖ mitstimmt, ließ Parteichef Christian Kern offen. Er forderte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz auf, „zu erklären, wie er sich vorstellt, zu einem handlungsf­ähigen Sicherheit­sapparat zurückzuke­hren. Die österreich­ischen Geheimdien­ste werden diskrediti­ert“, sagte Kern. Es gebe auch einige Anhaltspun­kte, dem Innenminis­ter Amtsmissbr­auch vorzuwerfe­n, formuliert­e Kern vorsichtig. Man wolle sich das nun „in Ruhe anschauen“. 7 Wieso ist die Causa BVT so brisant und wie sind unsere Dienste internatio­nal vernetzt?

ANTWORT: „Unsere Nachrichte­ndienste stehen immer noch in einer großen Abhängigke­it zu jenen in den USA, die auch durchaus noch so viel Einfluss haben, dass sie über politische­n Druck unliebsame Leute bei unseren Diensten noch aus dem Geschäft nehmen können“, meint Historiker Beer: „Auch der deutsche Bundesnach­richtendie­nst, der ein echter Außengehei­mdienst ist, hat nach wie vor eine große Bedeutung für die österreich­ischen Nachrichte­ndienste.“Dort sehe man Österreich­s Dienste ja fast noch wie eine Dependance, meint der Experte spitz: „Jedenfalls sah man es gerade in Deutschlan­d sehr kritisch, dass nun alle drei Geheimdien­ste, die dem Heeres- und Innenminis­terium unterstehe­n, in FPÖ-Hand liegen.“Die Unruhe im BVT gefährdet nicht nur dessen Funktionsf­ähigkeit, sondern auch das Vertrauen der Dienste anderer Länder.

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APA BVT-Chef Peter Gridling: seit gestern im Amt verlängert und zugleich suspendier­t
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APA „Bedauerlic­h, aber unausweich­lich“nennt Innenminis­ter Kickl die Suspendier­ung Gridlings

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