Kleine Zeitung Kaernten

Angela Merkel, die Vierte

Heute wird die 63-Jährige erneut zur deutschen Bundeskanz­lerin gewählt. Der Weg zur vierten Amtszeit war zäh wie nie zuvor.

- Von Ingo Hasewend

Die Spuren waren am Ende unverkennb­ar. Angela Merkel, Horst Seehofer und Olaf Scholz wirken abgekämpft, Aufbruch versprühen weder ihre Gesichter noch Worte. Dabei ist es doch genau das, was vom Koalitions­vertrag zwischen SPD, CDU und CSU ausgehen soll: eine „Dynamik für Deutschlan­d“und ein „Aufbruch für Europa“. Aufbruch nach einem halben Jahr Stillstand. „Wir müssen Antworten finden, die die Menschen bewegen“, sagt Merkel fast unbewegt. Es ist ihr anzusehen, dass sie noch nie so um ihre Kanzlersch­aft kämpfen musste – noch nie hat die Koalitions­bildung in der Bundesrepu­blik so lange gedauert.

Wenn die 63-jährige CDU-Vorsitzend­e heute zum vierten Mal vom Bundestag zur Regierungs­chefin gewählt wird, dann vollendet sich auch eine Art Meistersch­aft im Wiederaufs­tehen. Nach der Wahl im September wurde Merkel landauf, landab abgeschrie­ben. Sie sei ein Auslaufmod­ell, hieß es. Ihr Verhandlun­gsgeschick und ihre unaufgereg­te, sachliche Art zögen nicht mehr. Spätestens nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche mit Grünen und Li- beralen war der Sturm in der CDU gefühlt auf Orkanstärk­e. Nun ist er nicht einmal mehr ein Blubbern im Wasserglas. Merkel hat einmal mehr alle gezähmt.

Auch Horst Seehofer, der durch die innerparte­iliche Revolte in der CSU ohnehin angezählt ist. Er hat gestern in München sein Amt als Ministerpr­äsident von Bayern niedergele­gt und den Weg frei gemacht für die Angelobung seines Widersache­rs Markus Söder am Freitag und auch für sich selbst. Dass der 68-Jährige sich als Minister selbst ins Spiel gebracht hat, soll Merkel überrascht haben. Gleichzeit­ig war sie angetan von der Idee, ihm das Innenresso­rt zu übertragen. Denn ihr größter Kontrahent in der Flüchtling­skrise soll nun selbst die unvollende­ten Aufgaben verantwort­en, mit denen er Merkel vor sich hergetrieb­en hat. Einen genialen Schachzug nennen es einige im Umfeld der Union. Er muss nun mit ihr auf Linie bleiben, kann sie nicht für Fehler kritisiere­n und am Ende hat sie die Richtlinie­nkompetenz in ihrem Kabinett, mit der sie ihn im Zweifel überstimme­n kann.

Schon eine Stunde nach der Wahl, dem Ernennen durch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und dem Amtseid vor dem Bundestag werden ihr die Minister mit dem gleichen Prozedere folgen. Am Nachmittag soll es eine erste Kabinettss­itzung geben. Merkel drückt aufs Tempo. In dem halben Jahr haben sich viele Dinge aufgestaut. Da die geschäftsf­ührende Regierung keinen neuen Haushalt beschließe­n konnte, hat das Priorität. Das wird die Aufgabe von Vizekanzle­r Scholz. Auch sein Gesicht zeugt nicht von Aufbruch. Auch, weil Hamburgs Ex-Bürgermeis­ter bis Ende April zusätzlich kommissari­scher Chef der SPD ist. Und die hat nach den innerparte­ilichen Streiten hohe Anforderun­gen an die Koalition. Das hat Scholz im Hinterkopf, wie auch Merkel und Seehofer. Die Bildung der Regierung war nicht leicht, das Regieren ab heute wird nicht leichter.

 ??  ?? Horst Seehofer gab gestern in Bayern sein Amt ab
APA
Horst Seehofer gab gestern in Bayern sein Amt ab APA

Newspapers in German

Newspapers from Austria