In der Kurzwarenhandlung: Ich? Wir? Wer?
Gar
so lange ist es noch nicht her, dass ich über die grassierende Entleerung von Klagenfurt geklagt habe. Seither sind schon wieder zwei Leerstandsobjekte im Zentrum dazugekommen, und als ein ausländischer Gast den Neuen Platz sehen wollte, mussten wir feststellen, dass die Fronten des Hauptplatzes, des Aushängeschildes einer jeden Stadt, mittlerweile so gut wie geschlossen verbarrikadiert und die Schaufenster der leeren Geschäfte mit Backpapier verklebt waren. Keine Bücher, keine Kleider, keine Schuhe mehr: Dafür Nichts und wieder Nichts!
Auch jene Kurzwarenhandlung an der Südseite, die erst vor wenigen Monaten eröffnet worden war, ist in der kürzesten Zeit offenbar dem Weg des wirtschaftlichen Niedergangs gefolgt, und unter dem flotten Schriftzug „Team Kurz“prangt ein völlig leerer Schaukasten. Nur in einer Ecke klebt ein Sticker mit dem Hinweis: „Ich bin dabei.“Da stellten sich meinem Gast die Fragen: Wer bist du, ich? Wobei bist du? Und vor allem: Wo ist du? Es ist doch niemand da!
Hinter der Glasfront: Halbdunkel. Gähnende Leere. Gerümpel im Hintergrund. Und als die Pächter die Flucht ergriffen, hatten sie vergessen, den Flipchartständer mitzunehmen, sogar das Papier war noch eingespannt, und bei genauem Hinsehen konnte man nachlesen, mit welchen Kurzwaren der Kurzzeitpächter gehandelt hatte: „Wir schaffen bessere Rahmenbedingungen für Betriebe & Arbeitsplätze“, stand im Halbdunkel des aufgelassenen Geschäftslokals, sodass mein Gast die Frage stellte: „Wer seid denn ihr, ‚wir‘? Es ist doch keine Menschenseele da! Niemand!“Vor dem an die Wand geschobenen Gerümpel war zu lesen: „Wir schaffen Fundamente für persönliche Freiheit und stärken Gemeinschaft“, sodass mein Gast nachfragte: „Welche Gemeinschaft?“Im leeren Raum im leeren Zentrum der leeren Stadt stand: „Wir bauen an der Infrastruktur der Zukunft und an einem stärkeren Kärnten in Europa.“
So
etwas hatte mein Gast noch nicht gesehen, und er gratulierte mir herzlich: Noch symbolischer, noch sprechender kann man den Status quo der Kommune, des Landes, der Republik, der gesamten Gesellschaft gar nicht darstellen! Der Hauptplatz, wie er sich gegenwärtig darstellt, ist ganz große Kunst! Episches Theater geradezu! Man muss es nur zu erkennen wissen!
Der Hauptplatz, wie er sich gegenwärtig darstellt, ist ganz große Kunst! Episches Theater nahezu!