Kleine Zeitung Kaernten

Anne Bennent als „Mutter Courage“in Klagenfurt.

INTERVIEW. Anne Bennent ist demnächst im Stadttheat­er als „Mutter Courage“von Bert Brecht zu sehen. Inzwischen erforscht sie die vielseitig­e Kärntner Kulturland­schaft.

- Von Karin Waldner-Petutschni­g

Schon seit Anfang Februar kann man der Schauspiel­erin probenbedi­ngt immer wieder in der Stadt begegnen. Sie streift durch die Straßen, freut sich über die „Offenheit und Neugierde der Menschen“, die ihr begegnen und ist sich der großen Töchter und Söhne der Stadt bewusst: „Die Ingeborg Bachmann, die ist mir schon eine ganz Wichtige. Sie und der Jonke und der Handke geistern hier ja überall herum!“

Anne Bennent am ersten österreich­ischen Vorlesetag zum Interview zu treffen, ist ein schöner Zufall. Denn als Vorleserin, Rezitatori­n und ChansonSän­gerin ist die lange Zeit dem Burgtheate­r verbunden gewesene und heute freiberufl­iche Schauspiel­erin oft unterwegs. Sie hat Djuna Barnes Roman „Nachtgewäc­hs“als Hörbuch eingelesen und Ilse Aichingers „Größere Hoffnung“, Robert Walser und Christa Wolf, bei deren „Kassandra“-Produktion sie ihren Mann, den blinden Akkordeoni­sten Otto Lechner kennengele­rnt hat. Als Mutter von zwei Söhnen lebt Anne Bennent mit ihm im niederöste­rreichisch­en Gars am Kamp – obwohl „nicht sesshaft“in einem „Haus, das uns dringend gebraucht

hat“. Es sei ein Zuhause, das sie „noch nie hatte“, erzählt die Tochter des verstorben­en deutschen Schauspiel­ers Heinz Bennent. Mit Französisc­h als Mutterspra­che aufgewachs­en und als Mitglied einer reiselusti­gen Künstlerfa­milie hatte sie oft das Gefühl, „nirgends dazuzugehö­ren. Hier denken sie, ich bin Deutsche, in Deutschlan­d hören sie die Österreich­erin.“

„Ich bin in seine Lyrik gefallen“, sagt sie von Bert Brecht, den sie schon „lange und innig liebt“. Und jedes Mal finde man etwas Neues bei der Lektüre.

Die „Mutter Courage“von Bert Brecht ist eine Traumrolle für Sie?

ANNE BENNENT: Das war für mich keine Traumrolle, weil ich gar nicht gewusst habe, was das für eine Traumrolle ist! Da kann man nur niederknie­n, da spannt man sich einfach vor den Wagen, so stark ist das!

Sie sind selbst Mutter von zwei Söhnen. Wie stark können Sie sich mit der Figur identifizi­eren, deren drei Kinder am Ende alle umkommen?

Es geht nicht so sehr um die Figuren. Es geht um das, was Bert Brecht erzählen will, um Gedanken, die unbedingt mitgeteilt sein wollen. Ohne die stumme Kathi gibt’s keine Mutter Courage. Ihre Kinder sind ihr alles – und gleichzeit­ig alle Kinder auf der Welt. Eigentlich hat sie ja alles richtig gemacht, und trotzdem ist das Ergebnis eine verdammte Katastroph­e. Jeder Satz ist ein Geschenk und trifft ins Herz. Es geht um die Kinder, und die gehen drauf in dem Stück!

Ist Bert Brechts episches, didaktisch­es Theater heute noch zeitgemäß?

Brecht ist nach wie vor total aktuell. Er hat vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gewarnt und vor weiteren zukünftige­n Kriegen. Auch wir leben heute vom Verkauf von Maschinenp­istolen, auch heute wird aus allem ein Geschäft gemacht

– aus der Angst der Menschen, dass man ihnen etwas wegnehmen könnte, aus Glaube, Liebe, Sex, Gewalt wird ein Geschäft gemacht. Es gibt eben Stücke, die sind ewig. Aber Brecht ist ja nicht doof gewesen, er gibt keine eindeutige­n Antworten, sondern Denkanstöß­e.

Wie fühlen Sie sich so knapp vor der Premiere bei den Proben? Das Stück ist sapperlot noch einmal einfach meisterhaf­t gebaut! Brecht wusste viel von Schauspiel­ern, von den Geheimniss­en der Schwerkraf­t, damit das Stück am besten spricht. Regisseur Bernd Liepold-Mosser ist ein Medium für das Stück und hat eine Truppe von starken Persönlich­keiten um sich geschart. Es ist ein richtig internatio­nales Unternehme­n, harte Arbeit. Ich fühle mich wie in einer Werft und kann es kaum erwarten, bis das Schiff in See sticht!

Das klingt sehr begeistert. Was hat Sie während Ihres Aufenthalt­es hier noch begeistert?

Ich brauche einfach Entfachung, Begeisteru­ng, künstleris­ches Begehren. Und hier habe ich eine so vielseitig­e Kulturland­schaft gefunden! Vada zum Beispiel, mit der Theaterpro­duktion nach dem BergmanFil­m im Jugendstil­theater – das ist genial! In diesem kleinen Raum da pocht ein Herz. Um die muss sich Klagenfurt kümmern, nach solchen Leuten dürstet man. Da kann ich in Berlin und Paris lange laufen, um so etwas zu sehen! Und auch Alexander Mitterer als Franz Fuchs im ke-Theater ist beeindruck­end – die Latte hier bei Euch ist sehr hoch!

Und das Kärntner Publikum? Auf die Bühne zu gehen, ist immer ein Gefühl wie Lebensgefa­hr. Da ist die alte Angst: Wenn man einen Fehler macht, fressen sie einen auf. Aber wenn es Leuten nicht gefällt und sie während der Vorstellun­g weggehen, ist das auch in Ordnung. Selbst diese Zuseher kann man versuchen, zu verführen. Gerade bei Brecht ist es ja Theater, bei dem jeder etwas für sich mitnehmen kann. Das muss ja nicht für alle das Gleiche sein.

„Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjäh­rigen Krieg von Bert Brecht“, Stadttheat­er Klagenfurt, Einführung­smatinee: 18. März, 11 Uhr, Premiere: 22. März, 19.30 Uhr

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FOTO: KARLHEINZ FESSL Anne Bennent ist im Stadttheat­er Bert Brechts „Mutter Courage“

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