Das Ende des Scharfmachers
Herbert Kickl ist in eine neue Rolle geschlüpft. Gerüchte, er wolle die Geheimdienste zu einer Superbehörde umbauen, versuchte er am Rande eines Besuchs in Wels zu entkräften.
Für Herbert Kickl war es ein Heimspiel. Nicht mit dem Dienstwagen, mit dem Zug brach der Innenminister in den frühen Morgenstunden von Wien auf. Die ÖBB hatten extra die Cobra-Lok (mit dem Schriftzug und in den Farben des Einsatzkommandos) vor den Zug gespannt. Die letzten Kilometer durfte Kickl im Führerstand mitfahren. Dass die Reise nach Wels ging, ist kein Zufall. Wels ist das kommunale Vorzeigemodell der FPÖ: eine uralte SPÖ-Hochburg, die 2015 von den Freiheitlichen umgedreht und nun von einem blauen Bürgermeister regiert wird.
Viel hätte nicht gefehlt, man hätte Kickl den roten Teppich ausgerollt. In Wels soll eine Polizeischule mit 120 Plätzen entstehen – in einem alten Gebäude, das einst als Geburtsklinik, dann als Psychiatrie diente und später in ein Flüchtlingsheim umfunktioniert werden sollte. Gestern fiel in Wels auch der Startschuss zur Rekrutierungsoffensive, die angesichts der baldigen Pensionierungswelle bei der Exekutive überfällig ist.
„Ich bin in meinem Amt angekommen“, konstatiert Kickl im Gespräch auf der Fahrt nach Oberösterreich. Er habe die Wahl gehabt zwischen dem Klubobmann und dem Innenminister, die Entscheidung war klar. Sein Ehrgeiz sei es, den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung gerecht
werden und einen neuen Kurs einzuschlagen. „Was wir in der Asylpolitik machen, ist Flickschusterei. Einmal wird da was, dann dort was repariert. Wir müssen das System neu aufsetzen.“Dass das nur im europäischen Kontext möglich sei, liege auf der Hand. Eines Tages solle es nur noch außerhalb Europas möglich sein, Anträge für Asyl in Europa zu stellen.
Einen Eindruck will der ehrgeizige Innenminister auch in Wels hinterlassen: dass er in der Lage ist, seine alte Rolle als freiheitlicher Scharfmacher, als Straches Zerberus, als blauer Reime-Schmied, der bis an die Grenzen des noch Zulässigen geht, abzuschütteln und in eine neue Rolle zu schlüpfen – in die eines Politikers, der freiheitliche Inhalte umzusetzen versucht, gleichzeitig professionell, korrekt, verantwortungsbewusst sein Amt ausübt. Vor ein paar Wochen hat er sich etwa für die Unannehmlichkeiten zum Start des NichtraucherVolksbegehrens ausdrücklich entschuldigt. Sein Misstrauen gegenüber Journalisten hat Kickl nicht abgelegt, der vorwurfsvolle Ton ist aber verschwunden.
Unweigerlich kommt das Gespräch mit Journalisten im Zug auf die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT). Energisch weist der FPÖ-Minister den Vorwurf zurück, es handle sich bei der Razzia um ein Manöver, um den BVT-Chef loszuwerden und
den Geheimdienst umzukrempeln. „Ich will keine Superbehörde“, entgegnet er Spekulationen, das BVT soll zerschlagen werden. Jeder Minister wolle nach der Ressortübernahme keine Altlasten mitschleppen, die ihm eines Tages auf den Kopf fallen könnten. Der Vorwurf, er wolle sich durch den Einsatz einer Spezialeinheit, die einem FPÖ-nahen Kommandanten unterstellt ist, Einblick in Datensätze verschaffen, sei völlig absurd. Zum einen hätten nicht die Polizisten, sondern Experten der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft die Computer durchsucht und beschlagnahmt. Vor allem habe jeder Vorgesetzte die Möglichkeit, in die Daten einer nachgelagerten Einheit – dazu zählt das BVT – Einsicht zu nehmen.
Ob die erhobenen Anschuldigungen gegen BVT-Beamte Hand und Fuß haben oder sich in Luft auflösen, muss jetzt die Justiz klären.