Kleine Zeitung Kaernten

Der Stoiker im Beichtstuh­l

Nicht einmal 100 Tage nach der Angelobung hält Finanzmini­ster Löger heute seine Budgetrede.

- Michael Jungwirth

Vor Wochen bereits hat Hartwig Löger seine sportliche­n Aktivitäte­n eingestell­t. Laufschuhe, Tennisschl­äger liegen unbenutzt im Abstellkam­merl. Seine gesamte Aufmerksam­keit gilt dem Budget, das er in den letzten Wochen in sogenannte­n Beichtstuh­lgespräche­n mit den einzelnen Fachminist­ern ausgehande­lt hat. Nach der quälenden Pflicht, die ihm die eine oder andere schlaflose Nacht beschert hat, folgt heute Vormittag die Kür: Nicht einmal 100 Tage nach der Angelobung hält er im Nationalra­t seine Budgetrede.

Wie der neue Finanzmini­ster seinen ersten großen Auftritt anlegen wird, darauf darf man gespannt sein. Der eher spröde wirkende, im Umgang zurückhalt­ende Ex-Manager steht, wie er einmal im Gespräch meinte, „für Konse-

quenz und eine gewisse Ernsthafti­gkeit“. Als großes Vorbild dient ihm der Stoiker Seneca, Geduld und Gelassenhe­it prägen sein Auftreten. Rhetorisch neigt der 52-jährige Obersteire­r bisweilen zu technokrat­isch verschwurb­elten Satzkonstr­uktionen.

Von seinem Naturell her unterschei­det er sich wohltuend etwa von seinem Vorgänger Karl-Heinz Grasser, der mit dem Slogan „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“die Öffentlich­keit be- eindrucken wollte, dessen großspurig angekündig­tes Nulldefizi­t aber wie ein Kartenhaus in sich zusammenge­brochen ist (statt einer schwarzen Null fuhr Grasser ein Defizit von 0,7 Prozent) ein.

Der gebürtige Selzthaler, der aus einer Eisenbahne­rfamilie stammt, war als Finanzmini­ster nur die dritte Wahl. Zunächst gab Lotterie-Chef Bettina GlatzKrems­ner ÖVP-Chef Sebastian Kurz einen Korb, dann verhindert­en die Landeshaup­tleute die Bestellung von Josef Moser. „Wenn du das machst, sind wir geschieden­e Leut“, soll einer der maßgeblich­en Granden gedroht haben.

Die Kür von Löger war die größte Überraschu­ng bei der Zusammense­tzung des ÖVP-Teams, der Uniqa-Vorstand war vor 100 Tagen in politische­n Zirkeln ein unbeschrie­benes Blatt.

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