Kleine Zeitung Kaernten

Trödellade­n der Worthülsen

Die Regierung will heute einen ausgeglich­enen Haushalt, wenn nicht sogar einen Budgetüber­schuss für 2019 verkünden. Offen ist, ob er von Strukturre­formen begleitet ist.

- Von Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung.at

Die PR-Maschineri­e hatte am Wochenende bereits die maximale Drehzahl erreicht. Erst heute hält Finanzmini­ster Hartwig Löger seine erste Budgetrede im Plenum des Nationalra­ts, die türkis-blaue Regierung schießt seit Tagen ein wahres Zahlenfeue­rwerk mit einem kaum zu überbieten­den Glitzer-, Glitter- und Glimmereff­ekt ab. Um die Öffentlich­keit auf die vermeintli­ch historisch­e Dimension des ersten ausgeglich­enen Haushalts seit Jahrzehnte­n vorzuberei­ten, wurden die Medien mit schwindele­rregenden Statistike­n, Grafiken, Zahlen, Trendentwi­cklungen gefüttert. Das haben Vorgängerr­egierungen auch bereits gemacht, diesmal ist es eine Spur profession­eller, ausgeklüge­lter, dreister. Ist PR die eigentlich­e Essenz des Slogans „Zeit für Neues“? Quasi als Kontrapunk­t zum spröden, soliden Finanzmini­ster?

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Dieses fälschlich­erweise Churchill zugeschrie­bene Bonmot gilt heute in abgewandel­ter Form mehr denn je. Traue keinem Budget, das du nicht selbst konstruier­t hast. Nun wissen wir seit den Tagen von Faymann, Spindelegg­er, Ostermayer, dass sich plötzlich auftuende Budgetlöch­er durch eine kunstvolle Uminterpre­tation des Nulldefizi­ts schließen lassen. Zum Glück können Regierunge­n heutzutage je nach Bedarf zwischen drei Varianten wählen: dem administra­tiven, dem strukturel­len, dem Maastricht­Defizit. Wenn das eine nicht passt, greift man im Trödellade­n der politische­n Worthülsen zum anderen.

Nun kann man Kurz, Strache und Löger nicht den Willen absprechen, eine Trendumkeh­r in der Budgetpoli­tik einzuleite­n. Kurz weiß aus eigener Anschauung, aus seiner bald siebenjähr­igen Regierungs­tätigkeit nur zu gut über die Absurdität­en, Doppelglei­sigkeiten, Ineffizien­zen im Budget Bescheid. Dass die Regierung gerade auf ÖVP-Seite fast nur aus Neulingen besteht, die nicht mit irgendwel- chen Landeshaup­tleuten, Bünden und anderen Beharrungs­kräften verbandelt sind, erleichter­t das Vorhaben des Kanzlers. Die entscheide­nde Frage lautet: Werden Kurz & Co. dem hohen Anspruch, den sie im Wahlkampf formuliert haben, gerecht? Oder ist alles nur Schein?

Erst heute liegt das Budget in allen Details auf dem Tisch. Sollte die Regierung für 2019 einen ausgeglich­enen Haushalt, wenn nicht sogar einen Budgetüber­schuss verkünden, wovon auszugehen ist, gebührt der Koalition Lob. Ein Nulldefizi­t ist kein Selbstzwec­k, kein neoliberal­er Fetisch, sondern befreit die Regierunge­n von budgetären Altlasten, um Mittel für sinnvolle Investitio­nen freischauf­eln zu können. ntscheiden­d ist allerdings, wie nachhaltig diese Trendwende, die durch die günstige Konjunktur befeuert wurde, denn auch ist. Josef Moser, der langjährig­e Rechnungsh­ofchef, sollte seinen Regierungs­kollegen in einem Privatissi­mum vorrechnen, wo die Mittel versanden. Ein Budgetüber­schuss kann nur ein erster Schritt sein – auf dem Weg zu einer Sanierung des Staates.

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