Trödelladen der Worthülsen
Die Regierung will heute einen ausgeglichenen Haushalt, wenn nicht sogar einen Budgetüberschuss für 2019 verkünden. Offen ist, ob er von Strukturreformen begleitet ist.
Die PR-Maschinerie hatte am Wochenende bereits die maximale Drehzahl erreicht. Erst heute hält Finanzminister Hartwig Löger seine erste Budgetrede im Plenum des Nationalrats, die türkis-blaue Regierung schießt seit Tagen ein wahres Zahlenfeuerwerk mit einem kaum zu überbietenden Glitzer-, Glitter- und Glimmereffekt ab. Um die Öffentlichkeit auf die vermeintlich historische Dimension des ersten ausgeglichenen Haushalts seit Jahrzehnten vorzubereiten, wurden die Medien mit schwindelerregenden Statistiken, Grafiken, Zahlen, Trendentwicklungen gefüttert. Das haben Vorgängerregierungen auch bereits gemacht, diesmal ist es eine Spur professioneller, ausgeklügelter, dreister. Ist PR die eigentliche Essenz des Slogans „Zeit für Neues“? Quasi als Kontrapunkt zum spröden, soliden Finanzminister?
Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Dieses fälschlicherweise Churchill zugeschriebene Bonmot gilt heute in abgewandelter Form mehr denn je. Traue keinem Budget, das du nicht selbst konstruiert hast. Nun wissen wir seit den Tagen von Faymann, Spindelegger, Ostermayer, dass sich plötzlich auftuende Budgetlöcher durch eine kunstvolle Uminterpretation des Nulldefizits schließen lassen. Zum Glück können Regierungen heutzutage je nach Bedarf zwischen drei Varianten wählen: dem administrativen, dem strukturellen, dem MaastrichtDefizit. Wenn das eine nicht passt, greift man im Trödelladen der politischen Worthülsen zum anderen.
Nun kann man Kurz, Strache und Löger nicht den Willen absprechen, eine Trendumkehr in der Budgetpolitik einzuleiten. Kurz weiß aus eigener Anschauung, aus seiner bald siebenjährigen Regierungstätigkeit nur zu gut über die Absurditäten, Doppelgleisigkeiten, Ineffizienzen im Budget Bescheid. Dass die Regierung gerade auf ÖVP-Seite fast nur aus Neulingen besteht, die nicht mit irgendwel- chen Landeshauptleuten, Bünden und anderen Beharrungskräften verbandelt sind, erleichtert das Vorhaben des Kanzlers. Die entscheidende Frage lautet: Werden Kurz & Co. dem hohen Anspruch, den sie im Wahlkampf formuliert haben, gerecht? Oder ist alles nur Schein?
Erst heute liegt das Budget in allen Details auf dem Tisch. Sollte die Regierung für 2019 einen ausgeglichenen Haushalt, wenn nicht sogar einen Budgetüberschuss verkünden, wovon auszugehen ist, gebührt der Koalition Lob. Ein Nulldefizit ist kein Selbstzweck, kein neoliberaler Fetisch, sondern befreit die Regierungen von budgetären Altlasten, um Mittel für sinnvolle Investitionen freischaufeln zu können. ntscheidend ist allerdings, wie nachhaltig diese Trendwende, die durch die günstige Konjunktur befeuert wurde, denn auch ist. Josef Moser, der langjährige Rechnungshofchef, sollte seinen Regierungskollegen in einem Privatissimum vorrechnen, wo die Mittel versanden. Ein Budgetüberschuss kann nur ein erster Schritt sein – auf dem Weg zu einer Sanierung des Staates.
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