Vorwärts in die Vergangenheit!
Wenn man einmal 60 Jahre in diesem Land gelebt hat, dann bedarf es schon einiger Besonderheiten um wirklich überrascht „aus der Wäsche zu schauen“. Der Versuch einer Bilanz der ersten 100 Tage „unseres“Sebastian Kurz war so ein Augenblick. Irgendwie stand da das Gefühl, dass „ganz schön was los war“. Und dann, nach einer analytischen Betrachtung, blieb außer „mit Vollgas in die Vergangenheit“nichts, absolut nichts mehr übrig. Selbst der Beschluss des „Familienbonus“(Familien brauchen keinen Bonus, sondern lebenswerte Rahmenbedingungen) entpuppte sich als Farce.
Was da sonst noch los war? Sebastian Kurz lud sich selbst zum Mittagessen bei Putin ein und besuchte privat den Papst. Die von ihm geliebte Publizität wäre nur noch durch einen Besuch von Donald J. Trump oder Kim „Rakete“Jong-un steigerbar gewesen. Und dann waren da noch Wortmeldungen wie „Kurz will, Kurz denkt, Kurz fordert, Kurz erwartet“. Ansonsten trat der Kanzler kaum in Erscheinung. Dafür bekam er aber Applaus von Freunden wie Viktor Orban oder der Lega Nord.
Bei seinem Koalitionspartner, da war echt was los! Die schlagenden Buschenschafter forderten von Strache ihre Tribute für das jahrzehntelange Stillhalten. Der neu „erfundene“Generalsekretär im Verteidigungsministerium möchte der/die erste SekretärIn sein, von dem/der ein Foto in der „Firma“aufgehängt wird.
Am „lustigsten“(ohne dass man darüber lachen kann) geht es derzeit aber im Innenministerium zu. Die FPÖ versucht das jahrelange schwarze Umfärbeln auf Blau zu trimmen und scheint dabei bereit zu sein, jede rote Linie eines Rechtsstaates zu überschreiten. Herbert Kickl, mittendrin im Entwerfen seines ganz privaten Reiterstandbildes, „stinkt’s“inzwischen so, dass er selbst bei einer Anhörung im Bundesrat bereit ist, die Gewaltentrennung zu missachten.
U nd? Sebastian Kurz schweigt! Um es mit Josef Hader zu formulieren: „Kurz ist der nettere Rechtspopulist“! Ich kann mir schwer vorstellen, dass Frau und Herr Österreicher bereit sind, das noch vier Jahre und 260 Tage auszuhalten?
Gerhard Leeb arbeitet als Journalist und Kunstschaffender in Heiligengeist bei Villach
Ich kann mir schwer vorstellen, dass Frau und Herr Österreicher bereit sind, das noch vier Jahre und 260 Tage auszuhalten?