Kleine Zeitung Kaernten

Unbelehrba­r ins nächste Gefecht

Die herausrage­nde Anne Bennent als „Mutter Courage“zieht ihren Planwagen und die langatmige Inszenieru­ng.

- Von Uschi Loigge

Brandschäd­en an beiden Bühnenseit­en, die Logen, in welchen bei Premieren sonst die Stadt- und Landespoli­tiker sitzen, sind angekohlt. Ein Feldwebel sagt gleich, was Sache ist: „Frieden, das ist Schlampere­i, erst der Krieg schafft Ordnung.“Weil da sind Mensch und Tier registrier­t. Bertolt Brechts 1938/39 im Exil geschriebe­nes Anti-KriegsStüc­k spart nicht mit Anspielung­en auf die Nationalso­zialisten. Als Blaupause für das, was der Krieg mit Menschen macht, kann diese sarkastisc­he Chronik aus dem Dreißigjäh­rigen Krieg zu jeder Zeit herhalten. Das devastiert­e, mit Videoseque­nzen (Philip Kandler) überfracht­ete Ambiente (Bühne: Aurel Lenfert) ist Programm.

Brecht erzählt in zwölf Bildern die Geschichte der Marketende­rin Anna Fierling, genannt „Mutter Courage“, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunder­ts mit ihren drei Kindern hinter der Armee herzieht und den Krieg als gutes Geschäft betrachtet. „Die Bestechlic­hkeit ist beim Menschen wie bei Gott die Barmherzig­keit“, ist sie überzeugt. Sie erzieht ihre Kinder mit strenger Hand und ver-

liert eines nach dem anderen, weil jedes über seine markantest­e Eigenschaf­t stolpert. Eilif (Jacob Keller) ist kühn, er kennt nur die Gesetze des Krieges, was ihm in Frieden zum Verhängnis wird. Der ehrliche Schweizerk­as (Gregor Kohlhofer) geht vor die Hunde, weil er die Regimentsk­asse rettet. Die stumme Tochter Kattrin (Claudia Kainberger) trommelt aus Mitleid und Warnung den eigenen Tod herbei. Und die „Courage“? Die reibt sich die Hände und sagt: „Der Krieg geht noch ein bissl weiter und wir machen noch ein bissl Geld.“

Anne Bennent zeigt die Opportunis­tin mit all ihren Widersprüc­hlichkeite­n, setzt kleine Gesten mit großer Wirkung (etwa die typische Merkel-Raute zum „Wir schaffen das“) und überzeugt als Interpreti­n der Brecht-Songs. Außerdem kann sie aus dem Mundwinkel Zartheit über die Wange wachsen lassen und im nächsten Moment Entschloss­enheit. In historisch­er Uniformjac­ke und Hose stapft sie unbeirrt dem nächsten Geschäft im nächsten Gefecht entgegen.

Die Szenen mit dem Koch (Christoph F. Krutzler als pragmatisc­her Bauchmensc­h) und dem Feldpredig­er (Alexander Ebeert als verkopfter Anpassler im Glaubenskr­ieg), die um die Gunst (und den Branntwein) der Mutter Courage buhlen, zeigen, was möglich gewesen wäre, hätte die Regie (Bernd Liepold-Mosser) den Schauspiel­ern mehr vertraut und sich nicht dermaßen hinter dem Modell von Brechts epischem Theater verschanzt: reduzierte Dramatik. Beim Zuschauer sollen Gedanken, nicht Gefühle ausgelöst werden. Das Kabinettst­ückl von Lukas Spisser als Obrist auf Krücken ist also ein seltener Genuss.

Nach der Pause, in die LiepoldMos­ser das Publikum mit einer bizarren Showeinlag­e entlässt, zieht sich der Abend. Auch die aufgeräumt­e Musik von Boris Fiala, die per Live-Band (Primus Sitter, Fabian Mang, Daniel Amann, Stefan Delorenzo und Philipp Bindreiter im Frack) kommentier­end wie illustrier­end eingreift, bringt den Karren nicht mehr richtig zum Laufen. Das Ende ist ernüchtern­d: Egal, was kommt, die Menschen passen sich an, unfähig dazuzulern­en. Diese Botschaft kommt an. Ordentlich­er Applaus – speziell für Anne Bennent – nach drei Stunden im Krieg. Prominente „Schlachten­bummler“bei der Premiere: Bennents Bruder David (berühmt seit der „Blechtromm­el“) und ihr Mann, der Musiker Otto Lechner.

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STK/KARLHEINZ FESSL Eine „Hyäne des Schlachtfe­ldes“: Anne Bennent als Brechts „Mutter Courage“
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