Ritt über die Eselsbrücke
Esel sind besser als ihr Ruf. Dumm und störrisch sollen sie sein, etwa wenn sie sich beharrlich weigern, ein Gewässer zu überqueren, weshalb man ihnen zuweilen eine Eselsbrücke als Umweg bauen muss. Doch das PS-schwache Langohr ist auch genügsam, ausdauernd und gutmütig, ein wahres Sinnbild für Geduld und Opferbereitschaft also. So scheint es kein Zufall zu sein, dass Jesus – anders als die Mächtigen seiner Zeit – nicht hoch zu Ross in Jerusalem einzieht, sondern auf einer geliehenen Eselin, die das ganze Gewicht der Welt – wie schon zuvor der Riese Christophorus – auf ihrem Rücken schleppt.
„Hosanna! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“, soll das Volk gerufen haben, als Jesus zum jüdischen Pessachfest eintraf. Schließlich war dem Wanderprediger aus Galiläa ein sagenhafter Ruf vorausgeeilt – Blinde soll er wieder sehend und Tote lebendig gemacht haben. Doch der Triumphzug endet so unerwartet wie geheimnisvoll: Der König der Herzen wird mit Dornen gekrönt, hingerichtet und drei Tage später auferweckt. So erzählt es die Bibel.
Nur drei Jahrhunderte nach diesem Geschehen schuf ein römischer Bildhauer einen Sarkophag, der den Auftakt von Jesu Passion auf ungewöhnliche Weise festhält. Der marmorne „Fleischfresser“(sárx = Fleisch, phage˜i n = essen) zeigt Jesus als bartlosen jungen Helden, der seinem Schicksal mit einem Lächeln entgegenreitet. Zwei weitere Männer veranschaulichen, was Matthäus berichtet: „Und eine große Volksmenge breitete ihre Kleider aus, andere aber hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.“Aus den ursprünglichen Palmzweigen wurden unsere Palmbuschen aus Weidekätzchen, Wacholder und anderen zauberkräftigen Pflanzen.
Der aus zehn biblischen Szenen bestehende Sarkophag, heute zu bewundern im Petersdom, gehörte einst einem gewissen Iunius Bassus, der um das Jahr 350 Präfekt von Rom war. Nur wenige Jahrzehnte zuvor waren Christen wie er noch verfolgt worden. Die Eroten an den Seitenwänden des steinernen Sargs sind Relikte aus dieser alten Zeit. Und selbst Jesus, der mit seinem Haarschopf dem Gott Apollon ähnelt, ist ein Zeuge des religiösen Übergangs. Von der Sündenfall-Szene nebenan schmachtet ihm übrigens Eva nach, die sich ihrer Nacktheit bewusst geworden ist.
Eros und Tod, Schuld und Erlösung, Christliches und Heidnisches vermischen sich auch im Esel, der in der Antike als Sexprotz galt und zum trunkenen Gefolge des Dionysos gehörte. Später reimte man: „Der Esel half dem Christuskinde, damit Herodes es nicht finde. / Er trug es in das Land am Nil, mit seinen Eltern ins Exil. / Der Esel diente Gottes Sohn auch auf dem Wege der Passion.“Zum Dank sollte man ihm möglichst viele Eselsbrücken bauen.