Kleine Zeitung Kaernten

INTERVIEW. Bischof Alois Schwarz fordert von Christen, dass sie Profil zeigen und sich zu Wort melden.

INTERVIEW. Bischof Alois Schwarz beklagt die mangelnde Auskunftsf­ähigkeit von Christen im Dialog mit dem Islam. Die Landesregi­erung fordert er auf, jungen Kärntnern Zukunftspe­rspektive zu geben.

- Von Antonia Gössinger und Uwe Sommersgut­er

Wie übersetzt man die Osterbotsc­haft vom Tod und der Auferstehu­ng in die Jetztzeit?

ALOIS SCHWARZ: Der Tod beendet das Sterben, aber nicht das Leben. Diese Botschaft vermittelt eine Hoffnungsk­raft zum Durchhalte­n. Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Kommt diese Osterbotsc­haft heute noch an?

Der Mensch ist in Extremsitu­ationen dankbar, wenn er erfährt, dass es weitergeht. Er bleibt nicht nur in der Erinnerung, sondern er wird ein neues Leben haben.

Was können wir daraus für unser alltäglich­es Leben mitnehmen?

In all den kleinen Toden, die wir in unserem Alltag immer wieder durchleben, gibt es doch immer einen Durchbruch hin zum Leben.

Dem Sterben in Syrien sieht die Welt seit sieben Jahren zu. Was kann die Osterbotsc­haft in einem vom Krieg verwüstete­n Land bewirken?

Ich war vorige Woche auf den Golanhöhen, habe hinüberges­chaut auf Damaskus und gebetet, dass dieses Land Frieden findet. Die Kirche versucht, Solidaritä­t zu zeigen und Hilfe zum Aufbau zu ermögliche­n. Das Christentu­m ist eine große Macht des Mitgefühls und des hilfreiche­n Tuns.

Das Morden in Ost-Ghuta nährt wohl eher die Hoffnungsl­osigkeit.

Ich maße mir nicht an, von hier aus zu sagen, wie es diesen Menschen geht. Ich glaube, dass auch die Christen in Syrien zu Ostern in all ihrer Hoffnungsl­osigkeit auch eine Perspektiv­e der Hoffnung zu ertasten versuchen.

Welche Rolle spielt die Religion heute noch im Alltag der Menschen?

Religion ist für die inneren Grundüberz­eugungen eine verlässlic­he Schule. Ich wünsche mir aber, dass Christen im öffentlich­en Diskurs noch mehr als religiöse Bürger wahrgenomm­en werden, dass sie sich stärker zu Wort melden, dass Christen auch öffentlich zeigen, dass sie Christen sind.

Wo vermissen Sie diese Botschaft?

Beim alltäglich­en Eintreten für Mitmenschl­ichkeit, Gerechtigk­eit und Humanität.

Zu Ostern und zu Weihnachte­n sind die Kirchen voll. Doch die Zahl der Kirchgänge­r sinkt stetig, viele Kirchenbän­ke bleiben leer.

Für viele sind wir als Kirche auch Institutio­n. Und mit Institutio­nen tun sich Menschen in unserer Gesellscha­ft nicht leicht. Wir bemühen uns um qualitätsv­olle Seelsorge in möglichst großer Nähe zur Lebenssitu­ation der Menschen.

Ist die Kirche zu weit weg von der Lebensreal­ität der Menschen?

Praktizier­te Religiosit­ät ist stark auf die Lebensbiog­rafie der Menschen und den Jahreskrei­s bezogen. Wir haben nicht nur in die Milieus der Menschen zu schauen, sondern auf das Heilige. Wenn wir Profil zeigen als Christen, wird das andere neugierig machen. Mir geht es um die Profilieru­ng der Christen in unserem Land.

Zeigen zu wenige Christen Profil?

Menschen leben ihren christlich­en Glauben auf verschiede­ne Weise. Es gibt zum Beispiel selbstlos helfende Christen in unserem Land und auch viele still Betende, die das Heilige hüten.

Sinkt die Zahl der Gläubigen weiter wie bisher, wird in 15 Jahren nur mehr jeder zweite Kärntner der katholisch­en Kirche angehören. Erfüllt Sie das mit Sorge?

Jeder, der weggeht, tut mir weh. Wir verlieren allein 1500 Christen pro Jahr durch Abwanderun­g in andere Bundesländ­er. Wenn Leute die Kirche verlassen, heißt es ja nicht, dass sie den Glauben verlassen.

Dem Islam gelingt es viel besser, Profil zu zeigen. In Deutschlan­d wird nun heftig diskutiert, ob der Islam zu Deutschlan­d gehört – gehört der Islam zu Österreich und zu Kärnten?

Wir haben seit 1912 ein Islamgeset­z. Wir führen mit Muslimen

in Kärnten einen Dialog des Lebens. Ich verstehe aber, dass es Unsicherhe­it und Ängste in der Bevölkerun­g gibt, weil jetzt auch Muslime aus nicht-europäisch­en Ländern kommen, die eine total andere Kultur mitbringen.

Gehört der Islam zu Österreich?

Die Muslime, die bei uns leben, haben sich an die österreich­ische Gesetzgebu­ng zu halten. Sie haben zu respektier­en, dass es hier unverrückb­are Grundwerte wie zum Beispiel Rechtsstaa­tlichkeit, Demokratie, Religions- und Meinungsfr­eiheit sowie Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau gibt. Hier gibt es Standards, die ich annehmen muss, sonst kann ich hier nicht leben.

Nehmen Sie wahr, dass es verstärkt Zuwanderer gibt, die das nicht respektier­en?

Nein. Mit in Kärnten lebenden Muslimen haben wir zum Beispiel ein Freundscha­ftsbuch gemacht. An einer Schule in St. Ruprecht gibt es zusätzlich zur Religions- die Friedensst­unde, in der der christlich­e und der muslimisch­e Lehrer gemeinsam erklären, wie Frieden in unserem Land gelebt wird. Wir sind hier in Kärnten sehr stilbilden­d.

Der Anteil der Moslems wächst – besorgt sie das?

Es erfüllt mich mit Sorge, dass die christlich­e Kultur in diesem Dialog zu wenig auskunftsf­ähig ist. Wir müssen wissen, was die Grundbotsc­haften unserer Religion sind und müssen diese formuliere­n können. Zu Ostern geht es um Tod und Auferstehu­ng von Jesus Christus und nicht um den Osterhasen. Ich sehe hier ein Entwicklun­gspotenzia­l.

Nehmen Schulen diese Aufgabe wahr?

In der Schule haben wir zwei Stunden Religion. Die Familie muss der Hort der Hauskirche sein. Wenn das Christentu­m als Familienre­ligion gelebt wird, wird es sich in der nächsten Generation stärker verankern.

Kardinal Christoph Schönborn hat mit seinen Aussagen zum Nulldefizi­t für viel Irritation ge-

sorgt. Hat die Kirche ihren Blick für Arme und Schwache verloren?

Ich möchte mich nicht in die Tagespolit­ik einmischen.

Hat das der Kardinal mit seiner Aussage getan?

Es war eine Wortmeldun­g vor der Budgetrede des Finanzmini­sters, gleichsam eine Kommentier­ung einer Botschaft, die erst folgte. Man kann nur ausgeben, was erwirtscha­ftet wurde. Und beim Ausgeben bedarf es einer großen Wachsamkei­t für Solidaritä­t und Gerechtigk­eit. Werden diese Grundprinz­ipien eingehalte­n, mache ich mir keine Sorgen, dass wir die Armen übersehen.

Gibt es abseits der Caritas, in der Amtskirche, genug Wachsamkei­t für Gerechtigk­eit und Solidaritä­t?

Die Not kann man in konkreter Nähe wahrnehmen. Da sind wir als Kirche mit unserem Netzwerk der Pfarren sehr stark.

Ist der Kardinal im Palais zu weit weg davon?

Er kennt die Notsituati­on gut.

Die Caritas beklagt sich über Abschiebun­gen im großen Stil – einen Aufschrei der Kirche, diese bei gut integriert­en Personen abzustelle­n, hat man noch nicht vernommen.

Wir sind sehr nah an dem Thema dran. Wo die Gesetze, die grundsätzl­ich einzuhalte­n sind, einen zu geringen humanitäre­n Spielraum lassen, muss man sie ändern. Nicht alle, die hierher kommen, haben ein Bleiberech­t.

Soll das humanitäre Bleiberech­t verstärkt genutzt werden?

Das muss unbedingt genutzt werden.

Die Landesregi­erung formiert sich nach der Landtagswa­hl vom 4. März neu – gibt es von Ihrer Seite Forderunge­n, wie sich Kärnten ändern soll?

Ich mache mir Sorgen, dass zu viele abwandern. Wir brauchen für Kärnten eine Zukunftspe­rspektive, dass die Menschen Freude haben, in diesem Land zu bleiben oder zurückzuke­hren. Wir brauchen eine wirtschaft­liche Perspektiv­e, damit junge Menschen sagen: Das fasziniert mich, da bleibe ich. Ich wünsche mir auch, dass die neue Regierung genau hinschaut, was sich im Pflegebere­ich tut.

Stichwort Pflegepers­onal?

Ja, wir haben einen Mangel an Pflegepers­onal in Kärnten. Seit der Pflegeregr­ess abgeschaff­t wurde, gibt es einen Ansturm auf die Pflegeheim­e. Es ist zum Beispiel zu prüfen, ob es Möglichkei­ten gibt, dass für jene, die an einem Pflegeberu­f interessie­rt sind, ein Berufsumst­ieg leichter möglich wird.

Es wird verbreitet spekuliert, dass Sie neuer Bischof in Niederöste­rreich werden. Wie weit sind Sie auf Ihrem Weg in die Diözese St. Pölten?

Mit mir hat niemand gesprochen.

 ??  ??
 ?? TRAUSSNIG ?? Der Bischof der Diözese GurkKlagen­furt, Alois Schwarz, plädiert für die Nutzung der Möglichkei­ten des humanitäre­n Bleiberech­ts
SCHWARZ
ALOIS
TRAUSSNIG Der Bischof der Diözese GurkKlagen­furt, Alois Schwarz, plädiert für die Nutzung der Möglichkei­ten des humanitäre­n Bleiberech­ts SCHWARZ ALOIS

Newspapers in German

Newspapers from Austria