INTERVIEW. Bischof Alois Schwarz fordert von Christen, dass sie Profil zeigen und sich zu Wort melden.
INTERVIEW. Bischof Alois Schwarz beklagt die mangelnde Auskunftsfähigkeit von Christen im Dialog mit dem Islam. Die Landesregierung fordert er auf, jungen Kärntnern Zukunftsperspektive zu geben.
Wie übersetzt man die Osterbotschaft vom Tod und der Auferstehung in die Jetztzeit?
ALOIS SCHWARZ: Der Tod beendet das Sterben, aber nicht das Leben. Diese Botschaft vermittelt eine Hoffnungskraft zum Durchhalten. Der Tod hat nicht das letzte Wort.
Kommt diese Osterbotschaft heute noch an?
Der Mensch ist in Extremsituationen dankbar, wenn er erfährt, dass es weitergeht. Er bleibt nicht nur in der Erinnerung, sondern er wird ein neues Leben haben.
Was können wir daraus für unser alltägliches Leben mitnehmen?
In all den kleinen Toden, die wir in unserem Alltag immer wieder durchleben, gibt es doch immer einen Durchbruch hin zum Leben.
Dem Sterben in Syrien sieht die Welt seit sieben Jahren zu. Was kann die Osterbotschaft in einem vom Krieg verwüsteten Land bewirken?
Ich war vorige Woche auf den Golanhöhen, habe hinübergeschaut auf Damaskus und gebetet, dass dieses Land Frieden findet. Die Kirche versucht, Solidarität zu zeigen und Hilfe zum Aufbau zu ermöglichen. Das Christentum ist eine große Macht des Mitgefühls und des hilfreichen Tuns.
Das Morden in Ost-Ghuta nährt wohl eher die Hoffnungslosigkeit.
Ich maße mir nicht an, von hier aus zu sagen, wie es diesen Menschen geht. Ich glaube, dass auch die Christen in Syrien zu Ostern in all ihrer Hoffnungslosigkeit auch eine Perspektive der Hoffnung zu ertasten versuchen.
Welche Rolle spielt die Religion heute noch im Alltag der Menschen?
Religion ist für die inneren Grundüberzeugungen eine verlässliche Schule. Ich wünsche mir aber, dass Christen im öffentlichen Diskurs noch mehr als religiöse Bürger wahrgenommen werden, dass sie sich stärker zu Wort melden, dass Christen auch öffentlich zeigen, dass sie Christen sind.
Wo vermissen Sie diese Botschaft?
Beim alltäglichen Eintreten für Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit und Humanität.
Zu Ostern und zu Weihnachten sind die Kirchen voll. Doch die Zahl der Kirchgänger sinkt stetig, viele Kirchenbänke bleiben leer.
Für viele sind wir als Kirche auch Institution. Und mit Institutionen tun sich Menschen in unserer Gesellschaft nicht leicht. Wir bemühen uns um qualitätsvolle Seelsorge in möglichst großer Nähe zur Lebenssituation der Menschen.
Ist die Kirche zu weit weg von der Lebensrealität der Menschen?
Praktizierte Religiosität ist stark auf die Lebensbiografie der Menschen und den Jahreskreis bezogen. Wir haben nicht nur in die Milieus der Menschen zu schauen, sondern auf das Heilige. Wenn wir Profil zeigen als Christen, wird das andere neugierig machen. Mir geht es um die Profilierung der Christen in unserem Land.
Zeigen zu wenige Christen Profil?
Menschen leben ihren christlichen Glauben auf verschiedene Weise. Es gibt zum Beispiel selbstlos helfende Christen in unserem Land und auch viele still Betende, die das Heilige hüten.
Sinkt die Zahl der Gläubigen weiter wie bisher, wird in 15 Jahren nur mehr jeder zweite Kärntner der katholischen Kirche angehören. Erfüllt Sie das mit Sorge?
Jeder, der weggeht, tut mir weh. Wir verlieren allein 1500 Christen pro Jahr durch Abwanderung in andere Bundesländer. Wenn Leute die Kirche verlassen, heißt es ja nicht, dass sie den Glauben verlassen.
Dem Islam gelingt es viel besser, Profil zu zeigen. In Deutschland wird nun heftig diskutiert, ob der Islam zu Deutschland gehört – gehört der Islam zu Österreich und zu Kärnten?
Wir haben seit 1912 ein Islamgesetz. Wir führen mit Muslimen
in Kärnten einen Dialog des Lebens. Ich verstehe aber, dass es Unsicherheit und Ängste in der Bevölkerung gibt, weil jetzt auch Muslime aus nicht-europäischen Ländern kommen, die eine total andere Kultur mitbringen.
Gehört der Islam zu Österreich?
Die Muslime, die bei uns leben, haben sich an die österreichische Gesetzgebung zu halten. Sie haben zu respektieren, dass es hier unverrückbare Grundwerte wie zum Beispiel Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Religions- und Meinungsfreiheit sowie Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt. Hier gibt es Standards, die ich annehmen muss, sonst kann ich hier nicht leben.
Nehmen Sie wahr, dass es verstärkt Zuwanderer gibt, die das nicht respektieren?
Nein. Mit in Kärnten lebenden Muslimen haben wir zum Beispiel ein Freundschaftsbuch gemacht. An einer Schule in St. Ruprecht gibt es zusätzlich zur Religions- die Friedensstunde, in der der christliche und der muslimische Lehrer gemeinsam erklären, wie Frieden in unserem Land gelebt wird. Wir sind hier in Kärnten sehr stilbildend.
Der Anteil der Moslems wächst – besorgt sie das?
Es erfüllt mich mit Sorge, dass die christliche Kultur in diesem Dialog zu wenig auskunftsfähig ist. Wir müssen wissen, was die Grundbotschaften unserer Religion sind und müssen diese formulieren können. Zu Ostern geht es um Tod und Auferstehung von Jesus Christus und nicht um den Osterhasen. Ich sehe hier ein Entwicklungspotenzial.
Nehmen Schulen diese Aufgabe wahr?
In der Schule haben wir zwei Stunden Religion. Die Familie muss der Hort der Hauskirche sein. Wenn das Christentum als Familienreligion gelebt wird, wird es sich in der nächsten Generation stärker verankern.
Kardinal Christoph Schönborn hat mit seinen Aussagen zum Nulldefizit für viel Irritation ge-
sorgt. Hat die Kirche ihren Blick für Arme und Schwache verloren?
Ich möchte mich nicht in die Tagespolitik einmischen.
Hat das der Kardinal mit seiner Aussage getan?
Es war eine Wortmeldung vor der Budgetrede des Finanzministers, gleichsam eine Kommentierung einer Botschaft, die erst folgte. Man kann nur ausgeben, was erwirtschaftet wurde. Und beim Ausgeben bedarf es einer großen Wachsamkeit für Solidarität und Gerechtigkeit. Werden diese Grundprinzipien eingehalten, mache ich mir keine Sorgen, dass wir die Armen übersehen.
Gibt es abseits der Caritas, in der Amtskirche, genug Wachsamkeit für Gerechtigkeit und Solidarität?
Die Not kann man in konkreter Nähe wahrnehmen. Da sind wir als Kirche mit unserem Netzwerk der Pfarren sehr stark.
Ist der Kardinal im Palais zu weit weg davon?
Er kennt die Notsituation gut.
Die Caritas beklagt sich über Abschiebungen im großen Stil – einen Aufschrei der Kirche, diese bei gut integrierten Personen abzustellen, hat man noch nicht vernommen.
Wir sind sehr nah an dem Thema dran. Wo die Gesetze, die grundsätzlich einzuhalten sind, einen zu geringen humanitären Spielraum lassen, muss man sie ändern. Nicht alle, die hierher kommen, haben ein Bleiberecht.
Soll das humanitäre Bleiberecht verstärkt genutzt werden?
Das muss unbedingt genutzt werden.
Die Landesregierung formiert sich nach der Landtagswahl vom 4. März neu – gibt es von Ihrer Seite Forderungen, wie sich Kärnten ändern soll?
Ich mache mir Sorgen, dass zu viele abwandern. Wir brauchen für Kärnten eine Zukunftsperspektive, dass die Menschen Freude haben, in diesem Land zu bleiben oder zurückzukehren. Wir brauchen eine wirtschaftliche Perspektive, damit junge Menschen sagen: Das fasziniert mich, da bleibe ich. Ich wünsche mir auch, dass die neue Regierung genau hinschaut, was sich im Pflegebereich tut.
Stichwort Pflegepersonal?
Ja, wir haben einen Mangel an Pflegepersonal in Kärnten. Seit der Pflegeregress abgeschafft wurde, gibt es einen Ansturm auf die Pflegeheime. Es ist zum Beispiel zu prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, dass für jene, die an einem Pflegeberuf interessiert sind, ein Berufsumstieg leichter möglich wird.
Es wird verbreitet spekuliert, dass Sie neuer Bischof in Niederösterreich werden. Wie weit sind Sie auf Ihrem Weg in die Diözese St. Pölten?
Mit mir hat niemand gesprochen.