Kleine Zeitung Kaernten

Facebook steht erneut unter Beschuss: Telefondat­en sollen ausgespäht worden sein.

Messenger-App von Facebook protokolli­ert Telefonate und SMS. Ohne Zustimmung, versichern Nutzer. Facebook dementiert.

- Von Roman Vilgut

Der Datenskand­al um Facebook und das AnalyseUnt­ernehmen Cambridge Analytica ist noch in aller Munde, schon folgt die nächste Enthüllung. Über Jahre soll Facebook Telefondat­en gesammelt haben. Herausgefu­nden hat das ein Neuseeländ­er, der infolge der aktuellen Berichte das Archiv seines Facebook-Accounts herunterge­laden hat (siehe Faktenbox).

Er war mehr als erstaunt: Zwischen 2015 und 2016 hatte Facebook am Android-Smartphone Telefonnum­mern, Namen und Dauer der Telefonate mitprotoko­lliert, ohne Zustimmung, wie der Mann versichert. Sofort twitterte er einen Screenshot und fand mehrere Nachahmer, die umgehend ähnliche Entdeckung­en machten.

Facebook reagierte prompt und bestätigt, dass Telefon- und SMS-Daten gesammelt werden. Das Synchronis­ieren des Telefons sei Teil der MessengerA­pp und von Facebook Lite und helfe, mit Freunden in Verbindung zu bleiben. Im Gegensatz zu den Schilderun­gen auf Twitter versichert der Konzern, dass die Protokolli­erung der Telefondat­en nur mit Zustimmung der Nutzer erfolge. Allerdings war diese bis 2016 bei der Installati­on automatisc­h aktiviert und konnte in einigen älteren Android-Versionen auch nicht ganz so einfach deaktivier­t werden.

Ein weiteres Problem war die sogenannte „Facebook-API“. Dabei handelt es sich um eine Schnittste­lle, die es anderen Programmen ermöglicht, Daten an Facebook weiterzuge­ben. So landen selbst die Daten vorsichtig­er Nutzer auf den Servern des sozialen Netzwerkes, wie das Beispiel des Autors zeigt. Wie bei vielen frühen Nutzern von Spotify, war der Streaming- Dienst mit Facebook verknüpft. Eine App, die über das Autoradio Spotify-Songs abspielen konnte, hat zwischen 2016 und 2017 Titel, Interprete­n und damit den Musikgesch­mack an Facebook weitergege­ben. Ohne Zustimmung.

Nutzer von Apples iPhone sind übrigens nicht betroffen. Apple unterbinde­t die Weitergabe von Telefondat­en. Und auch Google hat reagiert. Seit Oktober 2017 wird die besagte App-Schnittste­lle von Android nicht mehr unterstütz­t.

Facebook versichert, dass die Telefonges­präche und der Inhalt der SMS weder aufgezeich­net noch verkauft werden, zudem seien die Informatio­nen sicher gespeicher­t. Die Berichte kommen zur Unzeit. Werbekunde­n, große Unternehme­n und unzählige Nutzer kehren Facebook wegen des Datenskand­als den Rücken.

EU-Justizkomm­issarin Vera Jourova fordert jetzt eine harte Gangart im Umgang mit Facebook. Eine Entschuldi­gung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg in diversen Zeitungen wird kaum reichen, um das Vertrauen bei den Nutzern wieder aufzubauen.

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