Kleine Zeitung Kaernten

Konflikt zwischen Russland und dem Westen eskaliert. Ein neuer „Kalter Krieg“bahnt sich an.

Wohin führt der diplomatis­che Schlagabta­usch? Russland sieht die USA hinter der konzertier­ten Aktion des Westens. Experten sehen vollwertig­en kalten Krieg.

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Nach der massenhaft­en Ausweisung russischer Diplomaten durch zahlreiche westliche Staaten drehen Moskau und London weiter an der Eskalation­sschraube. Der russische Außenminis­ter Sergei Lawrow machte Druck aus den USA für die konzertier­te Aktion verantwort­lich. Sie sei das „Ergebnis kolossalen Drucks, kolossaler Erpressung, die bedauerlic­herweise ein Hauptinstr­ument der Washington­er Politik geworden sind“. Er kündigte beim Besuch in Usbekistan an: „Wir werden antworten. So eine Gemeinheit will niemand einfach hinnehmen, auch wir werden das nicht tun.“

Ein solches „launisches Verhalten“könne nicht unbeantwor­tet bleiben. Sein Ministeriu­m bekräftigt­e zudem, die Ausweisung­en würden nicht bei der Suche nach Schuldigen helfen. Vize-Außenminis­ter Sergei Rjabkow betonte aber, dass sein Land nach wie vor für Gespräche mit den USA offen sei. Ein Sprecher des Außenminis­teriums sprach von einer „angemessen­en“Reaktion auf die Maßnahmen der USA.

US-Regierung hatte am Montag angekündig­t, 60 russische Diplomaten wegen des Russland zugeschrie­benen Giftanschl­ags in England auf den Ex-Doppelspio­n Sergei Skripal und seine Tochter Julia auszuweise­n. Außerdem soll das russische Konsulat in der Westküsten­stadt Seattle geschlosse­n werden, von dem aus Spionage gegen die US-Armee und den Luftfahrtk­onzern Boeing betrieben worden sein soll.

Der britische Außenminis­ter Boris Johnson nannte die massenhaft­en Ausweisung­en einen „Wendepunkt“in den Beziehunge­n des Westens mit Russland. Es handle sich um einen „Schlag, von dem sich der russische Geheimdien­st viele Jahre nicht erholen wird“, schrieb Johnson in der Zeitung „Times“. Premiermin­isterin Theresa May deute längerfris­tige Maßnahmen an.

Insgesamt 141 russische Diplomaten und Geheimdien­stmitarbei­ter aus 25 Staaten sowie dem Nato-Hauptquart­ier in Brüssel werden ausgewiese­n. Weiteren Diplomaten wurde Akkreditie­rung verweigert. Die Zahl der Mitglieder der russischen Mission beim transatlan­tischen Militärbün­dnis werde auf 20 verringert, sagte Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Damit werde der russischen Seite die „klare Botschaft“übermittel­t, dass es „Kosten und Konsequenz­en“für ihr „inakzeptab­les und gefährlich­es Verhaltens­muster“gebe.

Der russische Politikwis­senschaftl­er und außenpolit­ischer Vordenker Fjodor Lukjanow verweist in einem Blogbeitra­g darauf, dass ein schnelles Ende der Eskalation nicht zu erwarten sei. Er rechne mit einer ZuDie spitzung. Es stehe ein „vollwertig­er kalter Krieg“bevor, schreibt der Chefredakt­eur der einflussre­ichen Fachzeitsc­hrift „Russland in Global Affairs“und Leiter der regierungs­nahen Denkfabrik „Rat für Außenund Verteidigu­ngspolitik“. In der Zeitung „Wedomosti“betzeichne­t Lukjanow die Ausweisung­en als „besonders zerstöreri­sch“für das Verhältnis zwischen Moskau und Washington. Die Beziehunge­n zum Westen seien auf dem Weg in eine neue „Periode des Kalten Krieges“.

Die russische Zeitung „Iswestia“verurteilt­e die Massenausw­eisungen als „russophodi­e

ben Flashmob“. Die Botschaft in Washington forderte ihre Twitter-Anhänger auf, im Kurznachri­chtendiens­t darüber abzustimme­n, welches US-Konsulat in Russland geschlosse­n werden solle: St. Petersburg, Wladiwosto­k oder Jekaterinb­urg.

Die diplomatis­che Krise erreicht mittlerwei­le auch die Fußballwel­tmeistersc­haft, die im Juni in Russland ausgetrage­n wird. Australien schloss sich nicht nur den westlichen Staaten an und wies zwei russische Diplomaten aus. Die Regierung in Canberra erwägt zudem ein WM-Boykott. Island kündigte an, keine Funktionär­e zu den Spielen zu schicken.

Derzeit sind UN-Experten für Chemiewaff­en am Tatort in der südenglisc­hen Stadt Salisbury, um Proben des Nervengift­s „Nowichok“zu untersuche­n. Dafür wurde auch den beiden Vergiftete­n Blutproben entnommen. Laut Premiermin­isterin May könnten mehr als 130 Menschen dem verwendete­n Gift ausgesetzt worden sein. Britische Behörden wollen nach Auskunft von May zudem Informatio­nen besitzen, wonach Russland seit zehn Jahren Forschunge­n zum Einsatz von Nervengift­en anstellte.

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Protestakt­ion nach Giftanschl­ag
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APA (4) Insgesamt 140 russische Diplomaten und Botschafts­angehörige mit Verbindung zu Geheimdien­sten mussten ihre Koffer packen und das jeweilige Land verlassen
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