Gräueltat an Jüdin alarmiert Staatsspitze
Die Ermordung einer 85-Jährigen zeugt vom wachsenden Antisemitismus in Frankreich. Präsident Macron kündigte volle Härte an.
Die Erschütterung über die Ermordung einer 85-jährigen Jüdin hat Frankreichs Staatsspitze erreicht. Präsident Emmanuel Macron hat den Tod von Mireille Knoll in Paris als „entsetzlich“angeprangert und versprochen, „mit absoluter Entschlossenheit gegen den Antisemitismus“vorzugehen.
Nicht dass antisemitische Gewalt in Frankreich außergewöhnlich wäre: „Seit Anfang 2018 haben sich antisemitische Übergriffe vervielfacht“, hatte Innenminister Gérard Collomb bereits festgestellt, bevor der mit Messerstichen übersäte, halb verkohlte Leichnam Knolls am Freitag in der ausgebrannten Sozialwohnung des Opfers entdeckt worden war. Der gewaltsame Tod der an Parkinson erkrankten Französin zeugt auf höchst widerwärtige Weise davon, welcher Hass den Überlebenden des Holocaust und ih- ren Nachkommen wieder entgegenschlägt. Rund 13.000 französische Juden waren im Juli 1942 unweit des Eiffelturms in einer Radsporthalle zusammengetrieben worden. Die meisten wurden ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Knoll floh mit ihrer Mutter nach Portugal, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Paris zurück, heiratete einen Mann, der wie sie den Holocaust überlebt hatte.
Die Staatsanwaltschaft, die zunächst von einem gewöhnlichen Gewaltverbrechen ausgegangen war, ermittelt nun wegen „vorsätzlicher Tötung eines Opfers aufgrund dessen Religionszugehörigkeit“. Gerichtsmediziner haben am Körper der Ermordeten elf Messerstiche ausgemacht. Die Spurensicherung hat in der Wohnung mehrere Brandherde entdeckt. Zwei Tatverdächtige sitzen in U-Haft. Einer der beiden, ein im selben Haus lebender Bekannter Knolls, hatte sie oft besucht, dürfte sie zuletzt bedroht haben und war auch am Tag der Tat bei ihr gesehen worden. Der 29-jährige Franko-Maghrebiner soll 2017 die zwölfjährige Tochter der Krankenpflegerin Knolls sexuell belästigt haben. Bei dem zweiten Verdächtigen handelt es sich um einen 21-jährigen vorbestraften Obdachlosen.
Der Dachverband französischer Juden (Crif) veranstaltet zum Zeichen des Protests gegen das Verbrechen und den wach-
senden Antisemitismus heute Abend einen Schweigemarsch. Christophe Castaner, Chef der Regierungspartei La République en Marche, hat an die Parteifreunde appelliert, sich der Kundgebung anzuschließen und ein Zeichen zu setzen „gegen Antisemitismus, Intoleranz und Hass“. Israels Erziehungsminister Naftali Bennett hofft, dass Frankreich den Antisemitismus „nicht mehr nur durch Worte, sondern auch durch Taten bekämpft“. Der Mord an einer Holocaust-Überlebenden, die nur getötet worden sei, weil sie jüdisch war, dürfe nicht unbeantwortet bleiben, mahnt er.
aller in Frankreich registrierten rassistisch motivierten Übergriffe richtet sich mittlerweile gegen Juden, die mit 500.000 Mitgliedern nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung stellen und als am besten integrierte religiöse Minderheit des Landes gelten. Im letzten September wurde ein jüdisches Ehepaar in seiner Wohnung überfallen, mehrere Stunden festgehalten und erpresst, weil „Juden reich sind“, wie die Täter später zu Protokoll gaben. Zuvor hatte die Ermordung einer jüdischen Rentnerin Aufsehen erregt. Der Täter war in die Wohnung der Frau eingedrungen. Er misshandelte sie und warf sie unter Alluha-Akbar-Rufen (Allah ist am größten) vom Balkon.